Loslassen: Wie gelingt das?

Grüezi – Guten Tag!

Sagen Sie sich selbst bzw. hören Sie von anderen, dass Sie „loslassen“ sollten? Doch will das nicht so recht gelingen? Oder wissen Sie schlicht nicht, wie Sie das anpacken sollen, das Loslassen? Dieser Newsletter handelt davon, wie dieser Begriff verstanden werden kann, sodass er nicht leere Floskel ist, sondern ins Handeln und zu positiven Resultaten führt.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

Loslassen: Wie gelingt das?

Ich wurde angefragt, für die Zeitschrift „Psychologie Heute“ einen Beitrag zum Thema „Loslassen“ zu verfassen. Das Wort wird oft gebraucht: „Du musst nur loslassen!“, „Er kann einfach nicht loslassen.“, „Ach, ich weiß, ich sollte loslassen…“ o.ä. „Loslassen“ verkommt oft zur Floskel, die schnell gesagt ist. Und wenig bewirkt.

Was heißt „Loslassen“? Meist wird der Begriff gebraucht, wenn jemand bei Vergangenem „hängen“ bleibt, nicht vom Fleck kommt bzw. sich schwer tut, aufzubrechen zu neuen Ufern. „Loslassen“ bedeutet, etwas hinter sich zu lassen, das nicht mehr ist, nicht mehr sein kann oder im Vorwärtsgehen behindert.

Jeder weiß, dass es wichtig ist, Dinge loszulassen, um vorankommen zu können. Nur: Wie gelingt das: Loslassen? Nicht, indem man sich anstrengt „Ich muss loslassen!“.

Es ist nützlich, sich einige Dinge zu vergegenwärtigen:

  • Ob „Loslassen“ angesagt ist, muss jeder selbst entscheiden. Sich selbst oder einer anderen Person zuzureden, dass es jetzt „loszulassen“ gilt, bringt meist wenig. Es aktiviert höchstens Schuld- oder Versagergefühle („Ich weiß, ich sollte…“) oder Widerwillen („Schon wieder diese Floskel…“). Und selbst wenn es nahe zu liegen scheint, dass Loslassen angesagt ist – etwa beim Übertritt ins Pensionsalter – heißt das noch lange nicht, dass Handlungsbedarf besteht. Selbst dann nicht, wenn eine Person in Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ schwelgt.
  • Als Faustregel gilt: Es ist sinnvoll, sich mit der Thematik zu beschäftigen, wenn man ins Stocken gerät und Lebensqualität beeinträchtigt ist. Man braucht nicht loszulassen um des Loslassens willens. Doch wer „hängen“ bleibt bei Gewesenem, Geschehenem und deswegen nicht in der Lage ist, die Gegenwart angemessen zu gestalten, gefährdet auf Dauer Lebensqualität. Hier ist es empfehlenswert, genau hinzuschauen, was abläuft. Und was allenfalls loszulassen ist.
  • „Loslassen“ ist ein abstrakter Begriff, der sich in jeder Situation auf etwas anderes bezieht und ein anderes Vorgehen erfordert. Je klarer bestimmt wird, was konkret loszulassen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das auch gelingt. Loslassen kann sich beispielsweise auf einen Wunsch beziehen, von dem es sich zu verabschieden gilt; wer etwa selbst keine Kinder bekommen kann, kann sehr unglücklich werden, wenn es nicht gelingt, diese Situation zu akzeptieren und sich von diesem Wunsch zu lösen. Loslassen kann sich auf eine Veränderung der Lebenssituation beziehen; wenn z.B. eine Krankheit zur Aufgabe der Berufstätigkeit zwingt, erfordert es wahrscheinlich bewusste Schritte des Loslassens, um sich auf Neues einstellen zu können – solche Schritte können sich auf den Abschied von bisherigen Perspektiven, einem auf den Beruf bezogenen Selbstverständnis, einer gewohnten Tagesstruktur, der bisherigen finanziellen Grundlage, Status usw. beziehen. Oft sind es auch Sicht-, Denk- und Verhaltensweisen, von denen man sich besser trennt; wer sich etwa konstant selbst unter Druck setzt, sich mit unrealistischen Erwartungen erschöpft und nie zufrieden ist mit Erreichtem, tut gut daran, entsprechende Überzeugungen zu erkennen und loszulassen.
  • „Loslassen“ bedeutet nicht, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Menschen tun sich begreiflicherweise schwer mit „Loslassen“, wenn sie meinen, alles über Bord werfen zu müssen. Wer sich etwa einen Partner wünscht, diesem aber bisher noch nicht begegnet ist, braucht nicht den Partnerwunsch über Bord zu werfen. Es kann aber nützlich sein, sich von Strategien zu verabschieden, die nicht förderlich sind, hier z.B. angestrengtes Suchen, Selbstzweifel, falsche Kompromisse, Unzufriedenheit, Abhängigmachen des eigenen Glücks von einer Partnerschaft.
  • „Loslassen“ kann nur, wer erkennt und sich eingesteht, „hängen“ zu bleiben. Und wer bereit ist, zu erkunden, wie das kommt und geändert werden kann. Loslassen kann, wer bereit ist, sich Zeit nimmt und den Mut aufbringt, genau hinzuschauen sowie Möglichkeiten auszuloten, die weiterführen.

 

Die Essenz: Drei Schlüsselfragen

Wenn Sie zum Schluss kommen, dass „Loslassen“ in Ihrer Situation Sinn macht, dann kommen Sie weiter, wenn Sie sich drei Schlüsselfragen stellen und darauf Antworten finden, die Ihnen ermöglichen, in Bewegung zu kommen.

  • Was lasse ich besser los? Loslassen kann, wem klar ist, was das konkret beinhaltet. Erkunden Sie also: Was läuft hier ab? Wo genau bleibe ich „hängen“, wie äußert sich dies, woran ist es erkennbar? Bin ich etwa untröstlich über ein Ereignis und drehe mental endlos darum ohne dass dies zu neuen Erkenntnissen und zu neuen Schritten führt? Tu ich mich schwer damit, dass etwas nicht mehr ist, was mir wertvoll war? Wie äußert sich dies? Verharre ich in einer Beziehung, die keine Zukunft hat, rede mir aber ein, dass ich das nicht ändern kann oder hindert mich Angst vor den Konsequenzen? Halte ich fest an Sicht-, Denk- und Verhaltensweisen, die mich erfahrungsgemäß festlaufen lassen? Rede ich mir etwa immer wieder ein, nicht kompetent, nicht liebenswert etc. zu sein? Wozu hat dies bisher geführt? Was bringt es, wenn ich daran festhalte? Was ist der Preis, den ich dafür zahle? Und dann: Wovon nehme ich besser Abschied, wenn ich meine Entwicklung nicht gefährden will?
  • Was kann ich gewinnen? Loslassen kann, wer weiß, wozu dies Sinn macht. Menschen bleiben oft in Situationen, Beziehungen, bei Ereignissen oder Sicht- und Verhaltensweisen „hängen“, weil sie sich nicht damit beschäftigen, was anstelle dessen kommen könnte. Motivation und Fähigkeit, loszulassen, entstehen durch eine Vorstellung, wie eine gute neue Situation aussehen wird, für die es sich lohnt, jetzt über den eigenen Schatten zu springen und sich von dem zu lösen, was beeinträchtigt. Wenn Sie also z.B. nach dem Herzinfarkt Ihre Berufstätigkeit aufgeben müssen: Wann würden Sie sagen „Es war schmerzhaft, mich von meinem Beruf zu verabschieden, aber heute gestalte ich meinen Alltag auf eine Weise, die für mich sinnvoll und mit Lebensqualität erfüllt ist.“? Oder, wenn Sie destruktive Gewohnheiten hinter sich lassen wollen: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie diese Gewohnheit ablegen? Was wäre dann anders? Was würden Sie gewinnen?
  • Was stärkt mein Vertrauen, dass Loslassen in gutes Neues führt? Loslassen kann, wer erfährt, dass dadurch neue Lebensqualität entsteht. Dazu ist es erforderlich, in Gang zu kommen, Schritte umzusetzen. Welche Schritte können Sie machen? Womit können Sie beginnen? Auf welche Erfahrungen können Sie zurückgreifen: Wann ist es Ihnen schon gelungen, etwas loszulassen? Was war damals hilfreich? Was erleichtert es Ihnen, sich auf den Weg zu machen? Erinnern Sie sich: Sie brauchen nicht gleich Ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen. Indem Sie offen sind für Ideen und Schritte, die Ihnen jetzt helfen, sich von einer Situation, einer Beziehung, einer Denkweise zu lösen, die Sie festlaufen lässt, werden Sie erfahren, dass etwas in Bewegung kommt. Wenn Sie etwa nach einer Trennung anfangen, nicht weiter dem nachzutrauern, was nicht mehr ist, sondern sich damit zu beschäftigen beginnen, wozu es Sinn macht, vorwärts zu gehen, und dann auch neue Schritte wagen, werden Sie feststellen, dass sich Ihre Stimmung verbessert. Sie werden erfahren, dass Sie weniger ans Gewesene denken und sich besser dem zuwenden können, was ist. So kommt nach und nach ein Prozess in Gang. Mit jedem Schritt und jeder neuen Erfahrung stärken Sie Ihr Vertrauen, dass es möglich ist, loszulassen, was losgelassen werden muss und damit das Leben lebenswert(er) wird.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie wie eine Schlange, die sich häutet, abstreifen, was Sie behindert – ohne Gewalt, durch Vorwärtsgehen. Und erfahren, dass sich dies befreiend auswirkt und Raum schafft für Neues.

 


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