Strategisch denken und sich auf den Weg machen

Grüezi – Guten Tag!

Willkommen zurück nach der Newsletter-Sommerpause! Hoffentlich konnten Sie diese schönen Sommertage in vollen Zügen genießen. Und vielleicht ging es Ihnen wie mir: Vielleicht haben Sie sich während Ausflügen inspirieren lassen von Geschichten von Menschen, die das Leben gestaltet haben. So widme ich diesen Newsletter einer touristischen Sehenswürdigkeit bzw. der Geschichte hinter dieser Sehenswürdigkeit.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

Ein Sommerausflug

Während diesen schönen Sommertagen gönnten sich mein Mann und ich einen Ausflug durchs eigene Land: Bei strahlendem Wetter fuhren wir via Amsterdam in die Provinz Noord-Holland, dem Ijsselmeer entlang und von dort ins Gebiet des sogenannten Schermerpolders. Ein Polder ist trockengelegtes Land. Im 17. Jahrhundert haben die Menschen hier mithilfe von 52 Windmühlen Land trockengelegt. Elf dieser Mühlen bestehen noch und sind noch heute funktionstüchtig – fast 400 Jahre nachdem sie gebaut wurden!

Was haben pittoreske Windmühlen mit Umgang mit Veränderung zu tun?

Sie sind ein eindrückliches Beispiel dafür, was in Gang kommt, wenn Menschen strategisch denken und den Mut aufbringen, sich auf den Weg zu machen.

Diese Menschen haben ein Stück niederländische Geschichte geschrieben. Sie haben die Entwicklung dieser Gegend maßgeblich geprägt. Und andere Menschen – bis weit über diese Gegend hinaus – haben von ihnen gelernt, sich von ihnen inspirieren lassen.

Beim Schermerpolder handelt es sich aber nicht nur um ein Beispiel äußerst innovativen und ausgeklügelten Wassermanagements. Es handelt sich auch um ein Beispiel einer Mentalität, die darauf ausgerichtet ist, das Leben zu gestalten.

Bevor ich auf den Mentalitätsaspekt komme, will ich Ihnen etwas von der Geschichte der Trockenlegung dieses Gebiets erzählen. Im 17. Jahrhundert lagen Teile Noord-Hollands, das Gebiet nördlich von Amsterdam, unter Wasser. Menschen dieser Gegend dachten: Wenn wir einen Weg finden, das Land trocken zu bekommen, sind wir nicht nur sicherer, sondern können das Land auch bebauen. Sie hatten die Idee, erst eine Art Deich um das Wasser zu bauen („Ring“), dann mit Windmühlen Wasser in einen Kanal außerhalb dieses Deiches zu pumpen und von dort ins Ijsselmeer abfließen zu lassen. Das ist ihnen gelungen. Doch es gab noch immer Wasser innerhalb des „Rings“. Die Mühlen konnten nicht mehr als einen Meter Höhenunterschied bewältigen. Also bauten diese Menschen eine zweite Serie von Mühlen, die einen Meter tiefer lagen. Diese Mühlen pumpten Wasser auf die höhere Ebene. Von dort aus wurde es von den höher gelegenen Mühlen in den Kanal befördert und abgeführt. Doch es gab noch immer Wasser. So bauten sie wiederum einen Meter tiefer neue Mühlen. Diese pumpten Wasser zur zweiten Ebene. Und die Mühlen der zweiten Ebene pumpten das Wasser zur ersten Ebene. Insgesamt wurden auf vier verschiedenen Niveaus Mühlen gebaut und so schlussendlich alles Wasser abgepumpt. Das Ganze geschah zwischen 1633 und 1635. Auf dem nun freigelegten Boden – der also vier Meter unter Meeresspiegel liegt – konnten sie nun anfangen, Landbau zu betreiben. U.a. spezialisierten sie sich auf Milchwirtschaft. Das nahe gelegene Städtchen Alkmaar, das bereits seit 1593 einen Käsemarkt hatte, entwickelte sich weiter zum blühenden Handelsumschlagplatz für Käse. Bis heute gibt es in Alkmaar den berühmten Käsemarkt. Das Städtchen erinnert mit seinen prachtvollen Häusern an das „Goldene Zeitalter“. Es gibt viele Spuren der damaligen Gesellschaft, u.a. auch sozusagen eine Seniorenresidenz avant la lettre. Damals gab es noch keinen Sozialstaat. Aber die Wohlfahrt ermöglichte, u.a. für alte Menschen zu sorgen.

 

Strategisch denken und sich auf den Weg machen

Diese Geschichte bzw. die Mentalität der Menschen, die zur Trockenlegung des Landes und damit zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Blüte der Gegend geführt hat, fasziniert mich. Ich kam ganz beflügelt von diesem Ausflug zurück; wenn man sich etwas Zeit nimmt, die Geschichte hinter Sehenswürdigkeiten zu erkunden, wird diese lebendig. Der unternehmerische Geist dieser längst vergangenen Zeit ist bis heute ansteckend. Die Geschichte des Schermerpolder-Mühlensystems erinnert daran, wie klare Visionen sowie der Mut, sich in deren Richtung auf den Weg zu machen, Entwicklung ermöglichen.

Die Menschen von Schermer hatten nicht das ausgeklügelte technologische Know-How und die technischen Möglichkeiten, über die wir heute verfügen. Sie haben Know-How und Erfahrung aufgebaut und damit Möglichkeiten geschaffen. Diese Windmühlen und das damit verbundene Denken in einem komplexen System sind technologische und geistige Meisterstücke. Bis heute.

Schließlich war das Land trocken. Die Entwickler des Entwässerungssystems hatten Raum geschaffen für Wachstum. Buchstäblich. Die Wassermanagement-Technologie hat mitermöglicht, dass sich das Gebiet, das wir heute als Niederlande kennen – ursprünglich ein großes Sumpfgebiet – zu einem wohlfahrenden Land entwickelte.

Ich denke, wir können viel vom „Geist“ dieser Menschen aus dem 17. Jahrhundert lernen. Wir können uns davon inspirieren lassen in unserem heutigen Denken und Verhalten. Das ist m.E. alles andere als naiv, verstaubt und rückwärtsgewandt.

Was meine ich damit?

  • Strategisch denken. Die Entwickler und Bauer des Schermerpolder-Mühlensystems hatten eine klare Vision. Das können wir auf unsere Lebenssituation übertragen: Was wollen wir in unserer Lebenssituation verändern? (Wo) gibt es in unserem Leben Gebiete, die wir „trockenlegen“ wollen – um Neues wachsen zu lassen? Ohne eine klare Vision hätten diese Menschen wohl nicht Energie, Ausdauer und Frustrationstoleranz aufgebracht, die für dieses Projekt erforderlich waren. Das gilt auch für unser Leben: Ohne „motivierenden Horizont“ fehlen Richtung und Energie, um in Gang zu kommen.
  • Innovation und Kreativität statt Mangeldenken. Die Menschen, die dieses Entwässerungssystem bedacht und gebaut hatten, blieben offensichtlich nicht hängen beim Träumen im Stil von „Wie schön wäre es doch, wenn…“. Sie entwickelten Ideen und Lösungen. Sie blieben nicht hängen bei Mangeldenken: „Uns fehlt Technologie und Geld“. Sie entwickelten die Kreativität, um Technologie zu entwickeln – und kamen dadurch zu Wohlstand. Sie waren kaum neidisch auf die Menschen, die in fruchtbaren Gegenden wohnten. Sie waren damit beschäftigt, selbst fruchtbares Land zu schaffen. Auch hier können wir von diesen Menschen lernen: Statt uns auf das zu richten, was uns fehlt, Ideen zu entwickeln, wie wir beginnen können, unsere Situation zu verändern. Jetzt. Hier.
  • Ins Handeln kommen. Diese Menschen haben sich an ihrer Strategie orientiert und sind an die Arbeit gegangen. Sie haben nicht jedes Detail geplant; das war auch gar nicht möglich. Sie haben nicht alles voraussehen und wissen können. Sie haben angefangen. Und unterwegs Know-How und Erfahrung aufgebaut, Technologie weiterentwickelt. Auch das kann uns ermutigen: Wir müssen (und können!) nicht alles bis ins Detail wissen, um aufzubrechen. Wir können anfangen. Wir können erste Schritte machen. Wenn diese Schritte auf einen „motivierenden Horizont“ ausgerichtet sind, werden wir vorwärtskommen, auch wenn es unterwegs Hindernisse geben kann.
  • Frustrationstoleranz. Als die Kapazitätsgrenze der ersten Serie von Mühlen erreicht war und es immer noch Wasser gab, gaben diese Menschen nicht auf. Sie bauten eine zweite, tiefer gelegene Serie von Mühlen. Und so weiter. Sie blieben dran. Schwierigkeiten spornten sie an, noch mehr Kreativität zu entwickeln und neue Lösungen für neue Probleme zu finden. Was wir daraus lernen können: Auch die schönsten „motivierenden Horizonte“ bewahren nicht vor Rückschlägen. Indem wir uns darin üben, diese als Anlass zu nehmen, erneut genau hinzuschauen und Ideen zu entwickeln, wie wir aufgrund der inzwischen aufgebauten Erfahrung noch anders vorgehen können, werden wir erfahren, dass es immer wieder neue Möglichkeiten und Lösungen gibt.
  • Langzeitperspektive. Die Entwickler des Schermerpolder-Mühlensystems begannen mit ihrem Projekt ohne zu wissen, wann sie „ankommen“ würden. Sie orientierten sich an der Langzeitperspektive, durch dieses Mühlensystem Lebensqualität zu erhöhen. Obwohl sie sich kaum damit beschäftigt haben dürften, ob „ihre“ Mühlen – oder zumindest ein Teil davon – fast 400 Jahre später (!) noch immer funktionstüchtig sein würden, so haben sie mit ihrem Handeln Resultate bewirkt, die weit über ihre Gegend und Zeit hinausgewirkt haben.
  • Bei sich selbst anfangen. Heute wird viel von Nachhaltigkeit geredet. Manchmal fast fanatisch. Meist politisch gefärbt. Es hat für mich etwas Wohltuendes, dass diese Menschen nicht anderen gepredigt haben, was sie zu tun und lassen hätten. Sie haben sich selbst an die Arbeit gemacht.

Mit diesem touristischen Ausflug nach Noord-Holland möchte ich Sie „anstecken“, sich von der Geschichte hinter dem, was Sie sehen, inspirieren zu lassen. Das ist auch im Alltag möglich. Vielleicht wollen Sie in diesem Sinn die „Ausflugsperspektive“ mit in den Alltag nehmen: Wie ist eigentlich diese Firma entstanden, bei der Sie arbeiten? Welche Geschichte steckt hinter dem Auto oder dem Zug, die Sie ganz selbstverständlich benützen? Welche Geschichte erzählen die Häuser in der Altstadt Ihres Wohnorts? Das macht nicht nur den Alltag spannend(er), sondern ist inspirierend: Unsere Welt hat so viel zu erzählen von Menschen, deren Leben bestimmt war von Innovationsgeist, Idealismus, dem Mut, Visionen nicht nur zu entwickeln, sondern sich auch in deren Richtung auf den Weg zu machen. Gerade heute ist das sehr ermutigend. Und richtungsweisend.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen schöne Ausflüge in den Alltag und Geschichten von Menschen, die Sie inspirieren, Ihr Leben zu gestalten.

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

 

 


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