Andere motivieren – (Wie) ist das möglich?

Grüezi – Guten Tag!

Kann man andere Menschen zu Veränderung motivieren? Und wenn ja: Wie?! Egal, ob Sie es als Professional, Führungsperson oder privat mit Menschen zu tun haben, bei denen Veränderung ansteht: Mit diesem Newsletter lade ich Sie ein, Ihre eigenen Antworten auf die eingangs formulierte Frage zu finden bzw. zu reflektieren.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

„(Wie) kann ich andere zu Veränderung motivieren?“

Eine Gruppe von Herztherapeuten gelangt mit einer Frage an mich, die sie beschäftigt: Wie können wir Herzpatienten motivieren, ihren Lebensstil zu ändern? Weniger essen, mehr bewegen, nicht rauchen – „gesünder“ leben?

Eine andere Situation: In einem Seminar erzählt eine Laufbahnberaterin, die in der Arbeitsintegration tätig ist, von einem Klienten, der jeden Vorschlag zur Stellensuche abwinkt und ausgeklügelt argumentiert, warum dieser Vorschlag nicht passe. Was tun?

Eine dritte Situation: Ein Herr kontaktiert mich. Ein Freund leide zunehmend unter dem neuen Chef. Er klage darüber. Jetzt hätte er im Mitarbeitergespräch eine sehr schlechte Bewertung erhalten und fürchte um seine Stelle. Doch der Freund lehne seinen Vorschlag ab, in einer Beratung zu klären, wie er diese heikle Situation angehen kann. Was tun?

Sicher kommen Ihnen ähnliche Situationen in den Sinn: Die Freundin, die einen Partner sucht, aber an jedem Mann etwas auszusetzen hat. Der Arbeitskollege, der dauernd jammert. Der Freund, der seit längerem Wochenenden durcharbeitet und kaum mehr Zeit hat für anderes. Die Nachbarin, die so unglücklich ist. Was tun? Kann man andere zu Veränderungsschritten motivieren?

Man kann andere nicht motivieren. Man kann sie aber anregen, ihre Haltung / ihr Verhalten zu reflektieren und selbstbestimmt attraktive und „passende“ Perspektiven zu entwickeln. Damit wird die Basis gelegt, auf der sie selbst Motivation aufbauen, Regie zu übernehmen und Veränderung anzugehen.

„Motivation ist nicht etwas, was Du Menschen gibst.
Motivation ist etwas, was Menschen sich selbst geben.
Du gibst ihnen den Grund, sich selbst zu motivieren.“
(Unbekannt)

Zurück zu den Herzpatienten: Die Vorstellung, etwas hinter sich lassen zu müssen, was mit Annehmlichkeiten verbunden ist wie etwa lecker essen, eine Zigarette genießen, ist nicht verlockend, schon gar nicht, wenn dafür unattraktiver Einsatz erforderlich ist. Daran ändert gutes Zureden und wohlgemeintes Argumentieren nichts. Motivierend ist, auf etwas zuzugehen, was erstrebenswert ist. So antwortete ein Herzpatient auf die Frage, wofür sich die ganze Mühsal lohne, spontan: „Na ja, wenn ich fitter wäre, würde ich mich besser fühlen. Und ich könnte wieder mit dem Enkel Fußball spielen, das hat mir immer viel Spaß gemacht.“

Zum Beispiel der Laufbahnberaterin, die alle Register zieht, einen Klienten zur Stellensuche zu motivieren: Offenbar bewirkt dies das Gegenteil. Je mehr Vorschläge, desto ausgeklügelter die Argumente, warum diese nicht taugen. Statt dass der Klient Motivation aufbaut, entsteht bei der Beraterin Frustration. Man kann Motivation nicht erzwingen. Auch nicht mit den besten Ideen. Was einen Dreh bewirken kann: Die Person zum Nachdenken anregen. Etwa: „Sie lehnen alle meine Vorschläge ab. Wie stellen Sie sich denn das weitere Vorgehen vor? Wann würden Sie sagen ‚Doch, das pack ich jetzt an!‘?“ Gut möglich, dass die Antwort lautet „Keine Ahnung.“ Oder „Wenn ich eine neue Stelle habe, ist alles wieder in Ordnung.“ Dann wäre die nächste Frage: „Ja, und wie würde für Sie denn eine Stelle aussehen, für die Sie sich jetzt auf die Piste machen wollen?“ So unterbrechen Sie das Argumentieren, aktivieren die Selbstverantwortlichkeit des Gegenübers und laden dazu ein, selbst Perspektiven zu entwickeln, die es sinnvoll machen, aktiv zu werden.

Ähnlich im Beispiel des Freundes in der brenzligen Situation am Arbeitsplatz: Wenn Sie sehen, dass eine Person im Schlamassel steckt, aber nicht auf Lösungsvorschläge eingeht, ist es kontraproduktiv, die Person überzeugen zu wollen. Statt sich anzustrengen: Signalisieren Sie (wenn Sie das selbst wirklich wollen) freundlich und zugleich klar, dass Sie bereit sind, gemeinsam Ideen zu sammeln für Schritte aus der misslichen Lage, dass Sie aber nicht bereit sind, endlos den Status Quo anzuhören. Beschreiben Sie nüchtern, was Sie sehen, etwa: „Du rufst mich jetzt schon zum x-ten Mal an und beklagst Dich. Das führt nicht weiter. Ich verstehe, dass diese Situation belastend ist. Auf meinen Vorschlag einer Beratung willst Du nicht eingehen. Was sind denn aus Deiner Sicht Schritte, die jetzt weiterhelfen?“ Unterlassen Sie es, beizupflichten („Der neue Chef ist wirklich der Hinterletzte“), Opferhaltung zu fördern („Du bist wirklich ein ganz Armer“), zu interpretieren und psychologisieren („Dem passt Deine Nase nicht“), zu nötigen („Du musst jetzt…“). Wenn Ihr Gegenüber nicht nach Lösungen suchen will, gibt es nur eines: Den Ball zurücklegen. Es ist die Entscheidung dieser Person. Obwohl es oft schwer fällt, zuzuschauen, wie Menschen sich verheddern: Bereitschaft, Lösungen zu suchen, kann nicht erzwungen werden.

Es gibt also durchaus Möglichkeiten. Nicht so sehr, andere zu motivieren. Vielmehr, ihnen zu ermöglichen, selbst an den Punkt zu kommen, an dem sie sagen: „Doch, es macht Sinn, mich hier auf die Piste zu machen.“

 

Ermöglichen, dass Motivation zu Veränderung aufgebaut wird: 7 Merkpunkte

  1. Ausgangslage klären: Was spielt hier? Welche Haltung nimmt diese Person ihrer Situation gegenüber ein? Was tut sie? Wie wirkt sich das aus? Warum ist es mir ein Anliegen, sie zu Veränderung zu motivieren? Ist sie bereit, Lösungen zu suchen? Wenn Sie wenig Bereitschaft spüren:
  2. Ein sachliches Feedback bewirkt oft mehr als Tipps. Indem Sie ruhig und sachlich benennen, was Sie sehen, was Ihnen auffällt, worüber Sie sich vielleicht Sorgen machen, bringen Sie eine neue Perspektive ein. Das kann Wichtiges bewirken.
  3. Vernünftige Argumente, gut Zureden und Druck bewirken vieles, nur nicht Motivation! Testen Sie dies bei sich selbst: Wie reagieren Sie, wenn Sie sich schwer tun mit einer Diät und hören, dass Übergewicht die Gesundheit gefährdet? Genau: Das wissen Sie selbst. Wie reagieren Sie, wenn Ihnen gesagt wird „Da musst Du jetzt durch. Aller Anfang ist schwer.“ Im besten Fall denken Sie „Der hat leicht reden“. Oder wenn Sie zu hören bekommen „Das ist schädlich!“, „Du musst jetzt wirklich…“, dann werden sich, je nach Beziehung und Persönlichkeit, Ärger, Angst vor Konsequenzen in der Beziehung, Schuldgefühle („Ich weiß, ich sollte…“) einstellen oder leidet das Selbstwertgefühl („Ich schaff auch nichts…“). Statt entschlossenen Handelns bewirkt dies höchstens halbherziges Einlenken.
  4. Der Schlüssel zu Motivation ist ein „motivierender Horizont“. Statt Tipps zu geben oder das Gegenüber unter Druck zu setzen: Laden Sie die Person ein, (gemeinsam) zu erkunden, wozu es sich für sie (!) lohnt, Veränderung anzugehen. Menschen bauen Motivation auf, wenn es für sie Sinn macht, sich in Bewegung zu setzen. Also etwa: „Eine Diät ist nicht etwas Schönes. Ich schlage vor, dass wir schauen, wie es sein wird, wenn Du das geschafft hast, was Du dabei gewinnen kannst und worüber Du Dich dann freuen wirst.“
  5. Das Gegenüber mit offenen Fragen anregen, Ideen für ein gutes Vorgehen zu sammeln. „Was sind konkrete und machbare (erste) Schritte, die Du hier machen kannst? Was wäre jetzt hilfreich? Wenn Du daran denkst, was Du hier gewinnen kannst: Was kannst Du tun, um in diese Richtung vorwärts zu kommen?“
  6. Seien Sie keine Klagemauer. Das hilft niemandem. Wenn es Ihnen schwer fällt („Er ist doch wirklich in einer schwierigen Situation“, „Ich kann doch nicht so hart sein“): Vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie helfen, das Problem aufrecht zu erhalten, wenn Ihr Gegenüber immer wieder bei Ihnen abladen kann. (Freundliche!) Konfrontation kann Wunder bewirken: „Ich helfe Dir gerne, Ideen zu sammeln – aber ich bin nicht bereit, mir diese Geschichte zum x-ten Mal anzuhören.“
  7. Der Person zumuten, Regie zu übernehmen und eigenständig zu entscheiden. Ermutigen Sie sie, Entscheidungen so zu treffen, dass sie selbst dahinter steht und sich konkrete und realistische Schritte erschließen. Begleiten Sie allenfalls Schritte, sammeln Sie neue Ideen, wenn es klemmt und feiern Sie gemeinsam Erfolgserlebnisse – das verstärkt den Prozess.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg – nicht beim Motivieren anderer, sondern vielmehr in der Kunst, andere zu gewinnen, zu klären, wozu es Sinn macht, in Bewegung zu kommen.

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

  • Um Motivation aufbauen bzw. bei anderen anregen zu können, ist ein „motivierender Horizont“ essenziell: Eine Vorstellung, die es sinnvoll macht, sich in Gang zu setzen. Im Buch „Neuanfänge – Veränderung wagen und gewinnen“ habe ich ausführlich beschrieben, was ein „motivierender Horizont“ ist und wie ein solcher Horizont entwickelt werden kann.
  • Es gibt allerlei Stolpersteine, die Motivation beeinträchtigen. Vielleicht stehen so viele Dinge an, dass man „vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht“ und mutlos wird. Oder es sind Anschauungen im Spiel, die Motivation im Keim ersticken, etwa „Ich habe immer Pech“, „Leben ist leiden und schuften“, „Ich kann hier nichts machen“. Vielleicht ist der Kontakt zu sich selbst auf der Strecke geblieben; man weiß beim besten Willen nicht, was einen wirklich entspricht und damit motiviert. In meinem Buch „Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern“ nehme ich neun solche Hindernisse unter die Lupe.

 


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