Grüezi – Guten Tag!
Commitment heißt „Ich lasse mich 100%ig auf eine Sache oder eine Beziehung ein. Ich entscheide mich dafür. Und ich engagiere mich. Weil ich voll und ganz dahinterstehe.“ Damit Commitment keine Eintagsfliege ist, ist es wichtig, dass sich „Kopf“ und „Bauch“ zusammentun: Je mehr sich bei der Entscheidung für eine Sache oder Beziehung rationale Gründe verbinden mit positiven Gefühlen, desto eher steht man dahinter und desto eher lässt man sich engagiert, verbindlich und dauerhaft darauf ein. Mehr dazu in diesem Newsletter.
Viel Anregendes wünscht Ihnen
Inhalte
- Commitment: Hinter dem stehen, was man tut – mit Kopf und Bauch
- Commitment entwickeln: Anregungen für den Alltag
- Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
Commitment: Hinter dem stehen, was man tut – mit Kopf und Bauch
Kürzlich gab ich ein Referat zum Thema „Commitment in der Beratung“. Für ca. 100 Beratungsprofessionals, die Menschen mit/nach einer Krankheit, Behinderung oder nach einem Unfall dabei unterstützen, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzufinden. Die Frage lautet: Wie können wir das Commitment dieser Menschen für Schritte der beruflichen Wiedereingliederung gewinnen bzw. fördern? Denn: Ohne Commitment wird ein eh schon anspruchsvolles Ziel kaum zu Erfolg führen.
Auch wenn Ihre Situation ganz anders ist, werden Sie sich ab und zu fragen: Wie kann ich mich hier aufrappeln? Wie komme ich hier zu einer Entscheidung, hinter der ich selbst wirkliche stehe? Wie bringe ich den Mut auf, mich darauf einzulassen, „Nägel mit Köpfen“ zu machen?
Wie eingangs beschrieben: Commitment heißt, sich verbindlich und aktiv auf etwas einzulassen, wozu man sich entscheidet. Wenn es gut ist, weil man dahintersteht.
In der Psychologie werden verschiedene Formen von Commitment unterschieden (in Orientierung an John Meyer, Prof. für Organisationspsychologie an der University of Western Ontario):
- Normatives Commitment: Man entscheidet sich zu etwas und engagiert sich, weil man sich dazu verpflichtet fühlt. So beginnt etwa ein Herzpatient ein Fitnesstraining, weil der Arzt dies verschreibt. Und obwohl es ihm fürchterlich stinkt. Oder jemand lässt sich auf ungeliebte sonntägliche Familienanlässe ein, weil „man“ doch nicht einfach fernbleiben kann.
- Kostenvermeidendes Commitment: Man entscheidet sich zu etwas und engagiert sich, weil man Nachteile erwartet, wenn man das nicht tut. So steigt etwa eine Person auf den Vorschlag des Beraters ein, ein bestimmtes Programm zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu absolvieren, weil sie befürchtet, sonst Sozialversicherungsgelder gekürzt zu bekommen.
- Affektives Commitment: Man entscheidet sich zu etwas und engagiert sich, weil man die Sache mit positiven Gefühlen verbindet. Man lässt sich ein, weil es für einen attraktiv und bedeutsam ist, einen motiviert und Sinn macht. Man lässt sich etwa auf eine Ehe ein, weil man diesen Menschen einfach liebt. Oder man arbeitet mit Leib und Seele für einen Arbeitgeber, weil einem die Arbeit Freude macht, der Chef die eigene Leistung schätzt, man sich weiterentwickeln kann. Oder auch: Man rappelt sich auf, die Wohnung aufzuräumen, weil man sich auf das Resultat freut sowie das gute Gefühl, etwas geschafft zu haben.
In allen drei Varianten entscheiden und engagieren sich Menschen.
Nur: Bei „normativem“ und „kostenvermeidendem“ Commitment fehlt etwas Entscheidendes: Eine positive Identifikation, positive Gefühle und Motivation, die daraus entstehen, das etwas für einen echt attraktiv, bedeutsam, sinnvoll ist. Positive Gefühle und Motivation sind „Motor“ des Handelns. Sie ermöglichen, sich mit weniger Energieaufwand für etwas einzusetzen als das der Fall ist, wenn man etwas in erster Linie tut, weil man sich dazu verpflichtet fühlt oder negative Folgen bei Nicht-Handeln befürchtet. Bei „normativem“ oder „kostenvermeidendem“ Commitment wird man nur durchhalten mit einem Extra an Willenskraft und Anstrengung – was auf Dauer entweder erschöpft oder dazu veranlasst, aufzugeben. So wird der oben erwähnte Herzpatient entweder extra Energie aufbringen müssen, um das ungeliebte Training zu absolvieren. Oder er findet immer wieder ein Alibi, warum er jetzt gerade nicht ins Training gehen kann. Und die Person, die sich auf ein Programm zur Erhöhung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt einlässt, um die Kürzung von Geldern zu vermeiden, wird dieses Programm lustlos abspulen und vermutlich wenig davon profitieren. Letztlich eine Fehlinvestition an Energie, Zeit und Geld.
Echtes und nachhaltiges Commitment entsteht allein, wenn Kopf und Bauch zusammenspielen, wenn Entscheidung und Engagement rational und emotional unterstützt werden, d.h. wenn es gute rationale Gründe gibt, sich zu engagieren und zugleich positive Gefühle Energie geben. Letzteres wird häufig „übersehen“ – man versucht, sich selbst oder andere mit guten, logischen, vernünftigen Argumenten zu gewinnen. Doch das ist eben nur die eine Seite der Medaille Commitment.
Es braucht Kopf und Bauch, um wirklich hinter einer Sache oder Beziehung stehen zu können und sich mit entsprechendem Commitment darauf einzulassen.
Es braucht den Kopf, die rationalen Gründe. Wer allein seinem „Bauch“, seinen positiven Gefühlen, seiner Begeisterung folgt, reibt sich leicht einmal die Augen. Man lässt sich zwar leicht und enthusiastisch auf etwas ein, doch die Gefahr besteht, dass Entscheidungen gefällt werden, denen die „Bodenhaftung“ fehlt. Wer z.B. Hals über Kopf die Arbeitsstelle kündigt, weil er genug hat von dieser langweiligen Arbeit und sich begeistert aufmacht zum Traum einer beruflichen Selbstständigkeit, wird sich leicht einmal die Augen reiben, wenn er sich nicht damit auseinandergesetzt hat, was eine berufliche Selbstständigkeit alles beinhaltet und wie er dafür sorgen kann, finanzielle Engpässe zu vermeiden.
Doch es braucht genauso den „Bauch“, vielleicht besser gesagt das „Herz“, positive Gefühle, die daraus entstehen, dass eine Sache oder Beziehung für einen wirklich und echt attraktiv sind, einem entsprechen. Nicht, weil der Berater oder die Freundin das so sieht oder weil die Nachbarn das auch tun – sondern weil man spürt: „Das ist jetzt gut für mich.“
Erst ein solches „Kopf-und-Bauch-Commitment“ – ein „affektives Commitment“ – ermöglicht, wirklich, echt, authentisch und nachhaltig hinter etwas zu stehen. Und sich in der Folge mit Überzeugung, Freude, der nötigen Portion Realismus sowie langem Atem auf eine Sache oder Beziehung einzulassen.
Commitment entwickeln: Anregungen für den Alltag
Nun stellt sich die Frage: Wie lässt sich echtes Commitment bzw. ein „Kopf-und-Bauch-Commitment“ entwickeln? Gerade in Situationen, in denen etwas rational Sinn macht, aber nicht motivierend ist – wie das Fitnesstraining beim erwähnten Herzpatienten?
Es beginnt damit, ein möglichst plastisches inneres Bild dieser Situation entstehen zu lassen, für die man sich entscheiden und engagieren will oder muss. Entstehen lassen, nicht abzwingen! Bevor Sie sich zu irgendetwas entscheiden, ist es nützlich, quasi alle „Kanäle“ zu öffnen und in aller Ruhe Informationen, Einfälle, Befürchtungen, Vorteile und Reizvolles, Hindernisse oder Risiken zu sammeln. Offenheit ist dabei sehr wichtig: Sammeln Sie einfach einmal alles, was Ihnen einfällt. Nicht angestrengt suchen, sich selbst überzeugen oder eine Entscheidung vorschnell abzwingen wollen. Indem Sie sich bewusst für Einfälle öffnen, ermöglichen Sie Ihrem Unterbewusstsein, mitzuarbeiten. Damit ermöglichen Sie sich selbst, zu einem Bild zu kommen, das mehr umfasst als die vordergründig logischen Argumente und raschen Impulse. Vielleicht wollen Sie dazu ein Blatt Papier nehmen und festhalten, was Ihnen spontan einfällt. Das darf ganz ungeordnet sein – Sie können bei Bedarf später Aspekte einander zuordnen und gewichten. Falls Sie das als nützlich empfinden, können Sie dabei den einen oder anderen der folgenden Punkte mit einbeziehen:
- Um welche Situation handelt es sich? Etwa: „Mein Berater meint, dass ich für die berufliche Wiedereingliederung Schritt X machen soll.“ Oder: „Meine Freundin will, dass wir zusammenziehen.“ Oder: „Ich erwäge einen beruflichen Neuanfang.“
- Welche konkreten Schritte stehen an, wenn Sie sich auf diese Sache einlassen? Was würden Sie genau tun, wenn Sie den vom Berater vorgeschlagenen Schritt umsetzen? Oder: Wie würden die Schritte zu einer gemeinsamen Wohnung aussehen?
- Was können Sie gewinnen, wenn Sie sich auf diese Sache einlassen? Was sind die Vorteile? Worauf freuen Sie sich? Worauf werden Sie stolz sein, wenn Sie das entsprechende Ziel erreicht haben? Wie wichtig und attraktiv ist dies für Sie?
- Erkunden: Was müssen Sie investieren? Auf einer Skala von 0 bis 10: Wieviel Mut, Energie, Risikofreude, Zeit, Verzicht, Geld kostet Sie die Sache? Warum lohnt sich der Aufwand?
- Was sind mögliche Nachteile? Worauf müssen Sie verzichten? Gibt es Bedenken? Welche Schwierigkeiten kann es geben, und wie würden Sie dann vorgehen?
- Wer und was spielt eine Rolle bei Ihrer Entscheidung, sich auf diese Sache einzulassen? Gibt es jemanden oder etwas, was Ihre Entscheidung beeinflusst?
- Wie frei fühlen Sie sich in der Entscheidung, sich auf diese Sache einlassen? Wenn 10 bedeutet „Es ist mein eigenes Bedürfnis, ich will das aus freiem Willen!“ und 0 bedeutet „Ich habe keine Wahl, ich bin gezwungen, mich darauf einzulassen.“: Wo stufen Sie Ihre Freiwilligkeit, hier aktiv zu werden, ein? Wie kommen Sie darauf?
Welches Bild ergibt sich? Je mehr Sie Ihren Gedanken, Ideen, Einfällen freien Lauf lassen, desto eher wird sich auf natürliche Weise ein Gesamtbild ergeben, das sich aus sachlichen Aspekten, rationalen Argumenten sowie Gefühlen zusammensetzt. Lassen Sie dieses Bild einfach einmal auf sich wirken. Und erkunden Sie dann: Welches Resultat zeichnet sich ab?
- Schön, wenn Ihnen deutlich wird, was Sie intuitiv schon spürten, nämlich, dass es gute rationale Gründe gibt, sich für diese Sache einzusetzen und Sie zugleich auch gefühlsmäßig dahinterstehen.
- Vielleicht spüren Sie, dass Sie wirklich voll und ganz hinter der Sache stehen, es aber einige reale Hindernisse oder Befürchtungen gibt. Sammeln Sie dann Ideen, wie Sie darauf einspielen können.
- Vielleicht sehen Sie, dass rational vieles dafürspricht, sich engagiert einzusetzen – doch von Motivation spüren Sie wenig. Erkunden Sie dann: Wann würden ich sagen „Doch es lohnt sich!“? Was würde es für Sie attraktiver machen, sich hier auf den Weg zu machen? Um auf das Beispiel des Herzpatienten zurückzukommen. Seine Antwort auf diese Frage war: „Dieses Fitnesstraining würde sich für mich lohnen, weil ich mich dann wieder besser fühle und ich wieder fit bin, um mit meinem Enkel Fußball zu spielen; das macht mir immer Freude!“ Dieser Herzpatient braucht sich nicht einzureden, dass er Fitnesstraining plötzlich toll findet. Aber das Fitnesstraining wird für ihn attraktiver, weil er damit etwas erreicht, was ihm Freude macht. Alternative: Ein anderer Weg zum Ziel, der einem mehr entspricht, z.B. Schwimmen statt Fitnesstraining.
- Vielleicht erkennen Sie auch, dass Sie zwar Feuer und Flamme sind, es aber einige Punkte gibt, die zu unklar sind und die Sie abklären wollen. Wenn Sie über beide Ohren verliebt sind und unbedingt sofort zu Ihrem Partner ziehen wollen, der in einer anderen Stadt wohnt, lohnt es sich, sich etwa folgende Fragen zu stellen: Wie fühle ich mich eigentlich in jener Stadt? Würde ich dort auch leben wollen ohne meinen Partner? Oder: Was werde ich dort tun? Wie werde ich beruflich Wurzeln fassen können? Welche Möglichkeiten sehe ich? Mit solchen Fragen vermeiden Sie ein böses Erwachen, sollte es unterwegs unerwartete Hindernisse geben. Wenn es gut ist, verstärken Sie damit nur Ihr Commitment für die Beziehung und können begeistert und realistisch umziehen.
Ich wünsche Ihnen die Erfahrung, wie sich echtes Commitment anfühlt und wie Sie in der Folge beschwingt und zugleich realistisch und mit langem Atem sich auf das einlassen können, wofür Sie sich entscheiden.
Und natürlich viel Erfolg!
Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
- Ein „Kopf-und-Bauch-Commitment“ entwickeln ist nichts anderes als Entschlossenheit und Mut entwickeln, sich in Richtung eines „motivierenden Horizonts“ auf den Weg zu machen – die zweite Schlüsseldimension erfolgreichen Umgangs mit Veränderung, wie sie in meinem Buch „Neuanfänge – Veränderung wagen und gewinnen“ ausführlich beschrieben ist. Mit Anregungen zur praktischen Umsetzung.
- Commitment kann durch vieles erschwert werden: Man steht nicht wirklich hinter einer Entscheidung, bestimmte Sicht-/Denkweisen beeinträchtigen Entschlossenheit, Angst vor sozialen Reaktionen kann verunsichern usw. Neun solcher Stolpersteine werden in meinem Buch „Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern“ unter die Lupe genommen. Und es werden Wege aufgezeigt, wie sie überwunden werden können.
- Vielleicht interessieren Sie in diesem Zusammenhang frühere Newsletterausgaben, insbesondere:
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