Emotional rehearsal – positive Gefühle aktivieren

Grüezi – Guten Tag!

Positive Gefühle sind essenziell. Sie sind nicht nur angenehm. Sie befähigen, motiviert zu handeln, ohne Resultate abzwingen zu wollen. Sie tragen dazu bei, mit mehr Leichtigkeit und flotter positive Resultate zu ermöglichen. Sie sind gesundheitsfördernd. Stellt sich die Frage: Wie aktiviert man positive Gefühle? Mehr dazu in diesem Newsletter.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

 

Inhalte

 

Essenziell im Umgang mit Veränderung: Ein klares Bild (Kognition) und positive Gefühle (Emotion)

Kürzlich gab ich ein Seminar für medizinisch-therapeutische Professionals, die in ganz unterschiedlichen Kontexten und Fachbereichen im Gesundheitswesen arbeiten. Der gemeinsame Nenner ihrer Arbeit: Sie haben es mit Menschen zu tun, die ihre Gesundheit präventiv unterstützen wollen, gesundheitliche Beschwerden haben oder mit seriösen gesundheitlichen Situationen konfrontiert sind.

In diesem Seminar beschäftigen wir uns damit, wie Veränderungskompetenz gefördert und wie dies in die fachbezogene Arbeit integriert werden kann.

Ich bin hoch erfreut, wie selbstverständlich diese Professionals den Zusammenhang zwischen Veränderungskompetenz und Gesundheit sehen. Und wie klar es für sie ist, dass Veränderungskompetenz entscheidend dazu beiträgt, ob und wie Gesundheit erhalten, gefördert bzw. wiederhergestellt oder stabilisiert wird. Und ich bin hoch erfreut, wie wissbegierig sie sind: Sie wollen noch besser verstehen, wie sie Veränderungskompetenz fördern können.

Wenn Sie meine Arbeit kennen, wissen Sie, dass ich einen kognitiven Zugang zum Thema habe. Wissen ermöglicht, zu verstehen, was im Umgang mit Veränderung essenziell ist und warum. Dies befähigt, besser umsetzen, was intuitiv einleuchtet. So leuchtet es z.B. ein, dass ein motivierender Horizont – Perspektiven, die für einen sinnvoll sind und in deren Richtung man Schritte umsetzen will und kann – eine wichtige Ressource im Umgang mit Veränderung ist. Doch wenn man weiß, dass durch die Entwicklung eines motivierenden Horizonts eine klare Vorstellung (Kognition) mit positiven Gefühlen (Emotion) verbunden wird und dass durch aktives „Beleben“ dieses Horizonts in Gehirn und Körper neurochemische Prozesse aktiviert werden, als ob der Horizont schon Realität wäre, dann bekommt das, was man tut, mehr Bedeutung. „Beleben“ heißt: Den motivierenden Horizont mental und emotional so plastisch werden lassen, als ob man schon „angekommen“ wäre. Sich damit auseinandersetzen, was ein solcher Horizont konkret beinhaltet. (Kleine) Schritte in dessen Richtung unternehmen. Kurz: Anfangen, die Person zu sein, die den motivierenden Horizont erreicht hat.

Kognitive Prozesse – Wissen aneignen, Neues lernen, sich selbst beobachten, reflektieren, denken, verstehen, Klarheit gewinnen, Wünsche konkretisieren, Ideen entwickeln, erwünschte Situationen vorab mental durchspielen, Schritte planen, aus Erfahrungen lernen – sind Basis, um Veränderung kompetent und erfolgreich anzugehen.

Die Teilnehmenden des Seminars sind aber auch interessiert: Wie kann Veränderung erlebbar gemacht werden? Sodass sie nicht nur im Kopf Sinn macht, sondern auch „im Bauch“ ankommt, d.h. mit positiven Gefühlen verbunden wird?

 

„Es ist noch alles gleich…“

Eine Teilnehmerin veranschaulicht diese Frage mit einem Praxisbeispiel: „Ich arbeite mit einem Herrn mit neurologischen Problemen; das sensorische Gefühl in den Beinen hat plötzlich abgenommen. Es gab gründliche Untersuchungen. Eine klare Diagnose kann nicht gestellt werden. Während unserer Zusammenarbeit ist es jetzt zu Verbesserungen gekommen – der Herr muss beispielsweise nicht mehr an einer Wand Halt suchen, um stabil gehen zu können. Er kann wieder freier gehen. Und er beobachtet, dass die Symptome in einer Wechselwirkung stehen mit seiner Stimmung: Wenn er gut drauf ist, reduzieren sich die Symptome. Es gibt also Fortschritt. Doch er sagt: ‚Es ist noch alles gleich‘. Er kann Fortschritt sehen, aber nicht empfinden…“ Ich nehme ihre Aussage auf: „…er kann sich nicht über den Fortschritt freuen.“ Die Seminarteilnehmerin: „Ja, genau.“

Wie kann man das, was sich durch diszipliniertes Üben positiv verändert, auch fühlen? Wie kann man sich darüber freuen?

Eine wichtige Frage. Wir wissen etwa aus Motivationspsychologie und auch Neurobiologie: Veränderung kann umso eher angegangen werden und nachhaltig in positive Prozesse führen, je mehr eine Person in der Lage ist, positive Gefühle zu aktivieren.

Wie geht das: Positive Gefühle aktivieren?! Und: (Wie) kann dies eine Person wie dieser Herr lernen?

Das Stichwort lautet „emotional rehearsal“.

 

Emotional rehearsal – positive Gefühle aktivieren

Emotional rehearsal heißt nichts anderes, als positive Gefühle zu aktivieren.

Allgemein bekannt ist „mental rehearsal“ – man kann es auch Mentaltraining nennen. Man spielt dabei eine Situation in der Zukunft kognitiv durch, als wäre man mitten drin. Sportler machen das schon lange. Doch auch in anderen Lebensbereichen ist dies ein bekanntes und wichtiges Element, um Prozesse erfolgreich durchlaufen zu können. In meiner Arbeit verknüpfe ich die Entwicklung eines motivierenden Horizonts mit der Übung, eine klare Vorstellung zu bekommen, was ein motivierender Horizont konkret beinhaltet und daraus Schritte zu definieren, die man hier und jetzt in dessen Richtung machen kann. So bereitete sich etwa eine Beratungskundin, deren motivierender Horizont es war, „eine Frau mit mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zu sein“, auf ein Gespräch mit dem Nachbarn vor, der sich über ihr Klavierspiel beklagte: Sie setzte sich damit auseinander, wie sie dieses Gespräch als selbstbewusste, selbstvertrauende Frau angehen würde. Das ist nichts anderes als „mental rehearsal“. Der motivierende Horizont einer anderen Beratungskundin, die sich mit Aktivismus erschöpfte, war es, „gelassen(er)“ zu sein. Wir explorierten, was für sie ein Alltag als „gelassene(re)“ Frau konkret beinhalten, wie sie als diese Person denken, fühlen und sich verhalten würde.

Weniger bekannt ist „emotional rehearsal“ – oder eben Training positiver Gefühle. Als ich die Beratungskundin, die sich wünschte, „gelassen(er)“ zu sein, fragte, wie sie sich fühlen würde, wenn sie die von ihr genannten konkreten Maßnahmen getroffen und damit mehr Ruhe im Alltag erreicht hätte, war ihre spontane Antwort: „Guuuut!“ Indem sie sich mit der Vorstellung der erwünschten Situation auseinandersetzte, ermöglichte sie, dass sich das gute Gefühl, das sie in einer solchen Situation haben würde, unmittelbar einstellte.

Durch die Verbindung eines klaren Bildes mit einem positiven Gefühl, das mit diesem Bild verbunden ist, erhalten Gehirn und Körper ein klares Signal. Wir wissen heute, dass sich dabei Gehirn und Körper buchstäblich auf das Neue einstellen: Es werden neurochemische Prozesse ausgelöst, als ob die Person bereits in der neuen Situation leben würde.

 

Lernen, positive Gefühle zu aktivieren: Wie geht das?

Damit kann sich der Herr, der durch diszipliniertes Üben sensorisches Gefühl in den Beinen zurückerhält, vermutlich noch nicht mehr darüber freuen. (Wie) kann man lernen, positive Gefühle zu aktiveren? Auch, wenn man wenig Zugang hat zu Gefühlen, bzw. sich als kognitiv ausgerichteter Mensch versteht oder sich angewöhnt hat, „keine Gefühle“ zu haben?

Einige Anregungen:

  • Verstehen, dass und warum positive Gefühle kein luxuriöses „feel good“ für gute Momente sind, sondern essenziell dazu beitragen, dass wir Wichtiges erreichen können – weil damit ermöglicht wird, dass Gehirn und Körper, Kopf und „Bauch“, Denken und Fühlen in die gleiche Richtung zielen. Das ist nicht zu verwechseln mit sentimentaler Emotionalität, Gefühlsduselei, schön-Wetter-spielen oder nicht-wahrhaben-wollen von Realitäten. Dieser Herr braucht die neurologischen Probleme nicht schön zu finden. Doch wenn er lernt, sich an und auf Erreichtes zu freuen, darüber zu staunen, dafür dankbar zu sein usw., wird dies den Prozess unterstützen – auch direkt gesundheitlich: Positive Gefühle bewirken gesundheitsfördernde physiologische Prozesse (mehr Kohärenz der Gehirnaktivität, Aktivierung Parasympathikus, Ausschüttung gesundheitsfördernder Hormone usw.) – Gehirn und Körper werden unterstützt, mehr in den (Re)Creation-Modus zu kommen.
  • Erkunden: Wie werde ich mich fühlen, wenn mein motivierender Horizont Realität wird? Eine andere Seminarteilnehmerin schlägt vor: Wie wäre es, wenn dieser Herr das Bild dessen, was er erreichen will, aktiviert? Was ist sein motivierender Horizont? Etwa: Wieder frei gehen können, Gefühl in den Beinen haben, Dinge machen können, die jetzt erschwert sind. Und wie würde er sich fühlen, wenn das eintreffen würde? Etwa: Freudig, staunend, dankbar, überrascht, ermutigt, befreit…
  • Unterschiede wahrnehmen, wertschätzen, feiern. Beim Herrn im Fallbeispiel etwa: Was kann ich wieder, was ich nicht konnte? Wenn die Stimmung die Symptome beeinflusst bzw. wenn positive Stimmung mit Abnahme der Symptome einhergeht: In welchen Stimmungen ist das der Fall? Was denke, fühle, mache ich, wenn ich in dieser positiven Stimmung bin? Wie kann ich das häufiger machen?
  • Gegebenenfalls: Was geht mir durch den Kopf, wenn ich kein positives Gefühl aktivieren kann? Viele Menschen gestehen sich nicht zu, für möglich zu halten, dass es auch bei ihnen zu positiven Resultaten kommen kann. Oder etwas hält sie zurück, „ihr Herz zu öffnen“ bzw. Gefühle wie Freude, Staunen, Begeisterung, Dankbarkeit usw. zuzulassen – vielleicht haben sie schlechte Erfahrungen gemacht, vielleicht verwechseln sie „positive Gefühle“ mit Gefühlsduselei oder machen einen Bogen um alles, was mit „sich spüren“ zu tun hat (mache ich auch ). Vielleicht verbinden sie „positive Gefühle“ mit Schwäche, Verletzlichkeit. Oder es ist schlicht wie eine Sprache, die sie nicht sprechen. Statt Druck zu machen, endlos zu analysieren oder zu folgern „ich kann das nicht“: Üben Sie, so spielerisch wie möglich zu erkunden, wie Sie positive Gefühle (mehr) erleben können. Etwa indem Sie folgenden Schritt umsetzen:
  • Der Morgen nach dem Erwachen ist ein guter Moment für „Gefühlstraining“. Dann ist das Gehirn noch nicht völlig im „Denkmodus“. Etwa: Einen Moment bewusst das warme Gefühl im Bett genießen. Oder: Wofür kann ich dankbar sein? So sagt eine 95-jährige Frau auf die Frage, wie sie das mache, so fit und unternehmungslustig zu bleiben: „Ich beginne jeden Tag dankbar, dass ich einen neuen Tag erhalte, den ich gestalten kann.“ Was als Floskel tönen mag, hat Tiefgang: Positive Gefühle wie Dankbarkeit aktivieren nachweislich neurochemische Prozesse, die Gesundheit unterstützen und auch Lebensdauer verlängern. Vielleicht auch: Wie fühlt es sich an, happy, fröhlich, zuversichtlich, neugierig, zufrieden, frei, erfolgreich, gesund usw. zu sein? Sie können sich angewöhnen, dies zwei, drei Mal täglich zu machen: Nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit und tauchen Sie in positive Gefühle. Mit der Zeit werden Sie dies nicht mehr missen wollen. Und Sie werden feststellen, dass Sie anders durch den Tag gehen.

Je spielerischer Sie solche Schritte umsetzen, je weniger Druck Sie machen („jetzt muss ich mich auch noch gut fühlen“), je mehr Sie offen bleiben und experimentieren, desto eher werden Sie erfahren, dass es möglich ist, positive Gefühle zu aktivieren – und dass damit nicht nur alles angenehmer wird, sondern Sie auch besser umsetzen können, was Sie umsetzen wollen oder müssen. Ich wünsche Ihnen das richtig gute Gefühl der Erfahrung, dass Sie Ihre Gefühle regulieren können .

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

 


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