Grüezi – Guten Tag!
Wir leben nicht in entspannten Zeiten. Umso wichtiger, immer wieder in den Entspannungs-Modus zu kommen. Ein Beispiel aus meinem Alltag bringt so schön zum Ausdruck, was dies bewirkt. Und wie scheinbar unscheinbare Schritte mitten im Alltag dazu beitragen, dass Entspannung gedeihen kann.
Viel Anregendes wünscht Ihnen
Inhalte
- Entspannt sein in angespannten Zeiten?!
- Ostereinkauf in Locarno
- Entspannt sein: Schlicht und einfach hier und jetzt
- Anregungen für den Alltag
- Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
Entspannt sein in angespannten Zeiten?!
Vorweg: Ich werde Ihnen jetzt nicht nahelegen „Sie müssen nur entspannen“. Es gibt Situationen, in denen es nicht der Moment ist, zurückzulehnen. Es gibt Situationen, die stressig sind. Es gibt Situationen, in denen wir gefordert sind.
Doch gerade, wenn solche Situationen nicht sofort aus der Welt geschafft werden können, es nicht sofort Lösungen gibt, ist es essenziell, trotz allem, in allem und strukturell immer wieder in den Entspannungs-Modus zu wechseln. Nicht, um Belastungen, Probleme auszublenden, sondern um diesen so zu begegnen, dass man gesund, stabil bleibt und eine Basis schafft, auf der gutes Neues entstehen kann.
Dass es wichtig ist, zu entspannen, ist allgemein bekannt. Wenn wir entspannen, kommen wir in den (Re)Creation-Modus. Was es damit auf sich hat, warum es wichtig ist, immer wieder in diesen Modus zu wechseln – gerade auch im Umgang mit Veränderung – beschreibe ich in meinem neusten Buch „Veränderungskompetenz fördern“ sowie in mehreren Newsletter-Ausgaben (Angaben siehe unten).
Kurz: Im Entspannungs-Modus können Gehirn und Körper regenerieren. Unsere Gehirnaktivität wird ruhiger, die einzelnen Gehirnbereiche arbeiten besser zusammen (kein Geschwätz im Kopf), die Signale an den Körper werden klarer, kohärenter. Der Körper kann damit nicht nur besser funktionieren, sondern auch regenerieren und damit Gesundheit aufrechterhalten. Zugleich ist unser Denken im Entspannungs-Modus klarer, wir haben mehr Zugang zu unserer Intuition und Kreativität. Unsere Gefühle sind positiver, was sich wiederum positiv auf körperliche Prozesse auswirkt und zusätzlich entspannt. Wir haben eher Ideen, wie wir Probleme lösen oder produktiv mit Situationen umgehen können, die wir nicht sofort ändern können. Wir sind mehr bei uns selbst – und zugleich mehr in der Lage, offen zu sein, was um uns herum geschieht. Wir haben mehr Überblick, erkennen Zusammenhänge. Wir können Negatives sehen und beeinträchtigende Gefühle zulassen, ohne uns darin zu verlieren. Wir können Umständen und Menschen mit gesunder Distanz, Respekt und Empathie begegnen. Wir können produktiver handeln und erzielen mit weniger Energieaufwand bessere Resultate. All dies wird begleitet von neurobiologischen und physiologischen Prozessen, die ermöglichen, dass wir gesund, stabil und kreativ bleiben.
Das Gegenteil ist der Fall, wenn wir nicht im Entspannungs-Modus, sondern auf Umstände fokussiert sind, die uns belasten, bedrohen, ärgern, ängstigen, kurz: in Alarmbereitschaft halten. In diesem Modus sind Gehirn und Körper im Notfallprogramm, was mit anderen neurobiologischen und physiologischen Prozessen und auch anderen Kreisläufen in Denken, Fühlen und Verhalten verbunden ist – die sich auf Dauer negativ auf Gesundheit auswirken und zusätzliche Probleme schaffen.
Im Kern sind Gehirn und Körper entweder im Alarm- bzw. Stress-/Survival-Modus oder im Entspannungs- bzw. (Re)Creation-Modus.
(Wie) kann man in den Entspannungs-Modus finden in diesen Zeiten?
Gerade gegenwärtig läuft vieles real aus dem Ruder. Menschen kommen unter Druck, fühlen sich ausgeschlossen oder leiden unter Gehässigkeit und Aggression. Andere müssen am Arbeitsplatz irgendwie Lösungen finden – ich höre viel von Stress, Personalausfällen oder -wechseln, zunehmender Bürokratie, Planungsunsicherheit. Ganz zu schweigen von Zukunftsängsten, Sorgen um Sicherheit, Stabilität, Freiheit und/oder der Frage, ob und wie man mental, emotional, gesundheitlich, sozial und auch finanziell über die Runden kommen wird.
Entspannt sein in diesen Zeiten?
Ja, jetzt erst recht.
Dass und wie dies mitten im Alltag und gegenwärtiger Instabilität mit scheinbar unscheinbaren Schritten gelingen kann – das beobachte und erfahre ich im Alltag unserer neuen Lebensumgebung. Eindrücklich, erfrischend. Und ermutigend.
Ostereinkauf in Locarno
Es ist auffallend: Die Menschen hier sind auf natürliche Weise entspannt und freundlich. Mitten im Alltag. Vor dem Dorfladen nehmen sich der Postbote in der Pause, Arbeiter nach Feierabend oder Frauen nach dem Einkauf Zeit für einen Schwatz bei einem Kaffee. Wenn wir mit Interesse der Arbeit auf einer großen Baustelle zuschauen, legen die Arbeiter kurz ihre Arbeit nieder, erklären uns die Herausforderungen, eine schöne runde Garageneinfahrt in Beton zu gießen. Sie winken uns fortan jeden Tag fröhlich zu. Im Verkehr wird zügig und mit Überblick gefahren – und anderen freundlich Vorrang gegeben, auch wenn diese nicht Vortritt haben. Es ist faszinierend, wie mit scheinbar unscheinbaren Verhaltensweisen eine entspannte Atmosphäre entsteht – die wohltut und ansteckt.
Vor Ostern geht es in Lebensmittelläden gewöhnlich hektisch zu und her. Auch hier gibt es viele Menschen, die ihre Ostereinkäufe tätigen, doch auch hier diese entspannte Stimmung. Auch hier gibt es Warteschlangen vor den Kassen – doch alle bleiben ruhig, geben einander Vorrang, nutzen die Zeit für ein Schwätzchen. Eine ältere Dame steht mit ihrem Einkaufswagen mitten im Gang zwischen Gestellen; wie sie realisiert, dass ich hier durchgehen möchte, lächelt sie mich freundlich an und rückt den Wagen in aller Ruhe zur Seite. Mitten im Getümmel im Einkaufszentrum sehe ich einen älteren Herrn mit einem kleinen Buben. Dieser bleibt plötzlich stehen, zeigt seinem Begleiter fröhlich auf den Boden geklebte Symbole von Hundepfoten, die zum Tierfutter führen. Der ältere Herr bleibt stehen, lächelt, und sie nehmen sich zusammen Zeit, diese Hundepfoten anzuschauen. Sie sind dabei ganz vergnügt. Ein Bild für die Götter. Dann nimmt der Herr den Buben ruhig an der Hand und sie gehen zur Kasse. An der Kasse macht mich die Verkäuferin darauf aufmerksam, dass ich das nächste Mal ein 6er Pack Getränk im Einkaufswagen stehenlassen kann, um mir das Heben zu ersparen. Richtig fröhlich verlasse ich nach all diesen kleinen Begebenheiten das Einkaufszentrum, denke vergnügt: So schön kann der Einkauf vor Ostern sein! Und: Wie wohltuend, wenn Menschen so natürlich entspannt sind!
Entspannt sein: Schlicht und einfach hier und jetzt
Entspannte Menschen kreieren eine entspannte Atmosphäre. Das tut geradeaus gut. Es steckt an. Man bekommt unwillkürlich ein smile im Gesicht. Und alles wird angenehmer, geht einfacher – in so alltäglichen Situationen wie beim Einkaufen.
Die Menschen hier sind nicht verträumt oder abgehoben. Sie sind wach, nehmen wahr, was um sie herum geschieht. Sie schauen einen an. Sie grüßen freundlich. Oft entsteht ein spontanes Schwätzli mit völlig Fremden. Manchmal auch mehr. Jeder bekommt Energie.
Die Atmosphäre hier erinnert daran: Entspannt sein muss nicht warten bis „wenn dieses Projekt fertig ist“, „im Urlaub“, „wenn die Zeiten besser sind“ – es kann hier und jetzt, in so Alltäglichem wie einem Einkauf im Einkaufszentrum gelebt werden. Es ist nicht kompliziert, erfordert keine akademische Ausbildung, keine langjährige Meditationserfahrung – es ist so wunderbar einfach und zugleich so wirksam. Es ist so leicht und zugleich so tief. Es kostet nichts und gibt viel.
Die hiesigen Menschen leben auch in unserer Gegenwart. Sie haben auch Sorgen, Dinge, die sie belasten. Sie sehen auch, was nicht gut läuft. Sie sehen auch, dass es Menschen gibt, die gestresst, unsorgfältig, hochnäsig, aggressiv sind. Sie leben nicht in einem Vakuum. Sie leben in dieser Zeit. Mit all den eingreifenden Veränderungen, die uns im Kleinen und Grossen, in der eigenen Entwicklung, am Arbeitsplatz, in Beziehungen, in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft beschäftigen. Und doch pflegen sie den Entspannungs-Modus. Damit tragen sie dazu bei, dass es im Alltag zur Erfahrung kommt, wie wohltuend es ist, wenn Menschen entspannt sind. Nicht künstlich. Nicht demonstrativ. Nicht prätentiös. Einfach, schlicht, natürlich.
Warum es nicht diesen Menschen gleichtun? Warum nicht mit schlichten Schritten im Alltag dazu beitragen, dass wir und andere entspannt bleiben?
Anregungen für den Alltag
Vielleicht denken Sie: Beneidenswert, solche Menschen, die auf natürliche Art entspannt sind. Aber wie schaff ich es? Kann auch ich lernen, (vermehrt) in den Entspannungs-Modus zu kommen? Auch, wenn ich mich erschöpft, genervt, gestresst, ärgerlich fühle oder mir Sorgen mache? Auch, wenn es am Arbeitsplatz drunter und drüber läuft, ich nicht weiß, ob ich die Hypothek mittelfristig bezahlen kann, meine Ex erneut versucht, einen Keil zwischen mich und die Kinder zu treiben, mein Gesundheitszustand zu wünschen übriglässt, beeinträchtigende Gefühle sich breit machen? Oder ich es mit „Energielöchern“ zu tun habe, mit Menschen, die in Stress, Unzufriedenheit, Frustration, Aggression hängenbleiben und dies mit vielen guten Argumenten verteidigen?
Einige Anregungen:
- Vielleicht wollen Sie sich anstecken und inspirieren lassen von Menschen, die entspannt sind: Auf dem Arbeitsweg die Menschen freundlich grüßen, denen man begegnet. Einer Person mit einer einladenden Handbewegung und einem Smile Vorrang geben. Sich am Arbeitsplatz einen Moment Zeit nehmen für eine Kollegin, die gerade vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Sich wie der ältere Herr im Einkaufszentrum von einem Kind in eine andere Art von Wahrnehmung führen lassen. Kleine Schritte können so viel bewirken. Und machen erst noch Freude. Allen Beteiligten.
- Wissen, was es mit dem Stress-/Survival- und dem (Re)Creation-Modus auf sich hat. Wissen ermöglicht Aha-Erlebnisse. Es befreit von Moral („Entspannung ist ein Luxus“), Psychologisierung („Ich muss loslassen“), Widerwillen („Jetzt muss ich auch noch entspannt sein“). Es setzt in die Lage, den Zusammenhang zwischen Denken, Fühlen, Verhalten, Resultaten sowie Prozessen in Gehirn und Körper besser zu verstehen – und warum es wichtig ist, in den Entspannungs-Modus zu wechseln. Es setzt in die Lage, bewusster zu tun, was man vielleicht intuitiv tut. Es setzt in die Lage, zu verstehen, dass es kein Luxus ist, zu entspannen, sondern essenziell für Gesundheit, Lebensqualität, Kreativität sowie auch die Fähigkeit, Schwieriges zu meistern. Es setzt in die Lage, jenseits von schlechtem Gewissen („Ich darf doch nicht einfach entspannt sein“), falschem Egoismus („Ich habe Recht auf…“) oder Erwartungen an andere („Wenn der Chef anders wäre…“) Schritte umzusetzen, die Entspannung ermöglichen – bei sich selbst und im Umfeld.
- Entscheiden: Ich will Wege finden, wie ich hier und jetzt, mitten im Alltag, mich selbst in den Entspannungs-Modus bringen kann. Ich warte nicht auf bessere Zeiten oder darauf, dass ich dazu gezwungen werde.
- Einen motivierenden Horizont entwickeln: Wie bin ich, wenn ich im Entspannungs-Modus bin? Wie sieht ein Leben aus, in dem ich entspannt bin? Wie werde ich mich in diesem Modus fühlen? Wie werde ich mich verhalten?
- Den motivierenden Horizont in die Gegenwart ziehen: Wie kann ich heute schon die Person sein, die entspannt ist? Was kann ich tun?
- Ein Ritual entwickeln für Situationen, die üblicherweise Stress, Ärger, Angst, Mutlosigkeit auslösen: Wie kann ich dann anders vorgehen, als in eine Spirale beeinträchtigender Gedanken, Gefühle und unproduktiver Verhaltensweisen abzudriften?
- Aufmerksam sein: Kein Mensch ist immer entspannt. Aber wir können lernen, rascher zu realisieren, wenn wir abzudriften drohen in den Stress-Modus. Was hilft: Im Stress-Modus ist die Aufmerksamkeit auf Umstände gerichtet – den Vorgesetzten, der wieder Unrealistisches verlangt, die finanziellen Sorgen, den Ärger über das Klavierspiel des Nachbarn, Angst, dass gesundheitliche Symptome verschlechtern. Statt ins gewohnte Muster von Denken, Fühlen, Verhalten zu gehen, können Sie innehalten. Einfach kurz Stopp. Und beobachten: Was läuft jetzt gerade ab bei mir? Was sind wichtige Fakten? Was sind Auslöser? Was sind mentale und emotionale Reaktionsgewohnheiten? Was sind die dominanten Gefühle, Gedanken? Und: Wie würde ich hier im Entspannungs-Modus anders fühlen, denken und handeln?
- Unterstützend: Methoden wie etwa Atemübungen oder Meditation, die helfen, eigene Reaktionsweisen zu erkennen und Führung zu übernehmen über das eigene Denken, Fühlen, Verhalten. Bewegung. Tätigkeiten, in denen man im Element ist, die Zeit vergisst, sich freuen kann. Ablenkung – etwas anderes tun, wenn man festläuft. Distanz nehmen: Wie würde eine entspannte Person diese Situation wahrnehmen? Sich mit entspannten Menschen umgeben. Sich mit Biographien von Menschen beschäftigen, die Wege gefunden haben, Schwieriges zu meistern – auch, wenn dieses ein Dauerbegleiter ist wie etwa eine chronische Krankheit.
Ich wünsche Ihnen viele Erfolgserlebnisse – man kann lernen, in den Entspannungs-Modus zu wechseln wie man lernen kann, Auto zu fahren. Beides erfordert Wissen, Aufmerksamkeit, Übung. Mit der Zeit werden Sie erfahren, dass Sie genauso natürlich entspannt sind wie die Menschen, von denen ich eingangs erzählt habe. Und vielleicht wollen Sie es gleich bei Ihrem nächsten Einkauf im Einkaufszentrum ausprobieren 😊.
Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
- Eine Kurzzusammenfassung zum Stress-/Survival vs. (Re)Creation-/Entspannungs-Modus finden Sie auf meiner Website.
- Mehr dazu in meinem neusten Buch „Veränderungskompetenz fördern. Für Professionals in Führung, Beratung und Therapie.“ (Kohlhammer, 1. Aufl. 2021).
- Folgende Newsletter-Ausgaben könnten Sie in diesem Zusammenhang auch interessieren (in umgekehrt chronologischer Reihenfolge):
- Newsletter 2021/11: „Stressspiralen unterbrechen“
- Newsletter 2020/04: „Die Kunst der Selbstberuhigung“
- Newsletter 2020/01: „Mitten in Bewegung Ruhe schaffen“
- Newsletter 2017/01: „Wohltuende Kontakte pflegen – Energielöcher meiden“
- Newsletter 2016/09: „Praatjes maken – Ode an Schwätzchen im Alltag“
- Newsletter 2016/01: „Mit einem inneren ‚Ankerpunkt‘ sturmfest ins neue Jahr“
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