Frühjahrsputz

Grüezi – Guten Tag!

Nein, nein, ich gebe Ihnen jetzt keine Putztipps. Mit diesem Newsletter lade ich Sie ein, eine Tradition unserer Mütter unter einer noch etwas anderen Perspektive zu sehen. Schön, wenn Sie dabei realisieren, wie ein für viele nicht sehr attraktives Thema interessant sein kann. Und mehr mit Lebensgestaltung und Veränderung zu tun hat als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

Frühjahrsputz: Tradition unserer Mütter…

Frühjahrsputz war während meiner Kindheit ein Großanlass. Zwei Tage lang wurden die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt, Teppiche geklopft, Fensterläden geölt, Kästen gereinigt, entrümpelt. Ich erinnere mich, wie danach alles glänzte, köstlich roch – die Wohnung wirkte wie neu. Es war ein Fest, ins frisch gemachte Bett zu kriechen. Ich fand eine gut gepflegte Wohnumgebung immer etwas Schönes, kann mich auch heute daran freuen. Schlicht und einfach, weil ich mich darin wohl fühle.

Vielleicht denken Sie jetzt „Die hat einen Ordnungsfimmel“. Oder „Sind doch nur Äußerlichkeiten.“ Vielleicht auch „Ich habe anderes zu tun als Frühjahrsputz zu machen. Das ist Beschäftigungstherapie für Menschen, die nichts Besseres zu tun haben.“ Vielleicht verbinden Sie das Wort „Frühjahrsputz“ mit Materialismus, Kleinbürgerlichkeit.

Für mich ist Frühjahrsputz Symbol einer Lebenshaltung: Sorgfalt und Andacht für Dinge, die einem täglich Lebensqualität schenken. Wertschätzung. Auch: Aufräumen, äußere (und innere) Ordnung schaffen. Realisieren, was man hat. Abschied nehmen von Überflüssigem. Ent-sorgen. Wenn ich selbst putze, ist das für mich nicht nur Abwechslung und Alternative zum Fitnesscenter, sondern einfach auch interessant: Ich sehe Gegenstände, nehme sie in die Hand, Erinnerungen tauchen auf. Und ich komme quasi ins Gespräch mit dem Haus. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das Haus lacht, wenn es wieder frisch geputzt ist, wenn ein Schaden behoben, eine Wartungsarbeit gemacht ist. Mein Mann und ich entrümpeln auch oft – weg mit allem, was im Weg steht, nicht mehr gebraucht wird. Raum machen. „Less is more“ – weniger ist mehr. Wir lieben „leere“ Räume, wenig Zeug. Früher wurden wir ab und zu gefragt „Ist es noch immer nicht fertig?“, „Wann hängt Ihr Bilder auf?“. Heute wird dies „minimalistisch“ genannt und ist „hip“.

Zurück zum Frühjahrsputz. Vielleicht denken Sie jetzt: „Und was hat das mit ‚Umgang mit Veränderung‘ zu tun?!“ Mehr als auf den ersten Blick scheinen mag.

Wenn Frühjahrsputz als Symbol verstanden wird für „Schätzen und pflegen, was man hat“, „Ordnung machen“ sowie „Sich trennen von Überflüssigem, Raum machen“, dann ist dies auch Symbol einer Lebenshaltung. Einer Lebenshaltung, durch die Wohlbefinden entsteht – eine gute Basis für produktive Lebensgestaltung.

Es ist wohl kein Zufall, dass es jahrhundertealte Traditionen gibt, in denen Aufräumen, Reinigen, Raum machen gepflegt werden. Ich denke etwa an spirituell oder medizinisch motivierte Fastenrituale, Entschlackungskuren. Doch auch jede Art von Persönlichkeitsentwicklung kann als konstanter innerer Frühjahrsputz verstanden werden: Man wendet sich sozusagen der inneren Wohnung zu, wird sich eigener Denk- und Verhaltensweisen bewusst, entdeckt und schätzt, was Entwicklung ermöglicht und entrümpelt mental, trennt sich von Denk- und Verhaltensweisen, die „verstaubt“ sind, Lebensqualität beeinträchtigen. Egal, ob man Selbstreflexion schärft und sich darin übt, Schritte zu machen, die positive Entwicklung ermöglichen, ob man durch Yoga oder Meditation einen anderen Zugang zu sich selbst gewinnt oder mithilfe psychologischer Begleitung lernt, sich von Beeinträchtigendem zu verabschieden: Immer ist es das Ziel, sozusagen eine mentale „Wohnumgebung“ zu kreieren, die ermöglicht, das Leben zu gestalten. Schließlich: Trendy Begriffe wie „Simplify your life“ (Vereinfache Dein Leben), „Achtsamkeit“, „Feng Shui“ (Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung), „Wellness“ zielen in eine ähnliche Richtung: Raum schaffen, Boden legen für ein gutes Leben. Quasi einen mentalen und physischen „Lebensraum“ schaffen, der ermöglicht, mit klarem Kopf, freiem Geist und frischer Energie durchs Leben zu ziehen. Doch eine banale Putz- oder Aufräumaktion kann das auch bewirken!

 

Symbol einer Lebenshaltung & Inspiration für Lebengestaltung

Vielleicht wollen Sie die Pflege Ihrer Wohnumgebung – auf den ersten Blick nicht sehr „sexy“ – einmal unter dieser Perspektive betrachten:

  • Schätzen und pflegen, was man hat. Vielleicht wollen Sie das nächste Mal, wenn Sie den Staubsauger in die Hand nehmen, mit dieser Perspektive durch die Wohnung ziehen. Eine Art Entdeckungsreise durch die eigene Wohnumgebung: Was bringt Ihre Wohnung zum Ausdruck? Welche Stimmung ist spürbar? Welche Geschichten erzählen Ihnen die Dinge, die Sie haben? Was erzählen diese Dinge über Sie? Was ist Ihnen lieb? Was gibt Ihnen das Gefühl von „Zuhause sein“?
  • Ordnung schaffen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Es geht nicht darum, eine Art künstliches „Schöner-Wohnen-Image“ zu kreieren. Es geht darum, die eigene Wohnumgebung so zu gestalten, dass Sie sich darin wohl fühlen und entfalten können. Eine volle, für Dritte vielleicht chaotisch anmutende Wohnung kann Ihr „Lebensbiotop“ sein, in dem Sie sich wie ein Fisch im Wasser fühlen. Es geht darum: Gibt Ihnen Ihre Wohnumgebung das Gefühl einer Ordnung, in der Sie sich wohl fühlen, die Ihnen Ruhe vermittelt, in der Sie Energie tanken können, die Ihnen ermöglicht, gute Ideen zu entwickeln? Oder regen Sie sich auf, quälen sich mit Gedanken wie „Ich weiß, ich sollte mal wieder…“. Dann ist es vielleicht eine Idee, sich Zeit zu nehmen und zu klären: Was brauche ich, um mich besser, wohler zu fühlen? Welche Art von Ordnung tut mir gut? Was kann ich als ersten Schritt tun? Wenn Sie Schritte umsetzen, werden Sie merken, dass das ein gutes Gefühl gibt. Äußeren und inneren Raum schafft. Dies motiviert, bei Bedarf weitere Schritte umzusetzen. So kein ein produktiver Prozess in Gang kommen – bei dem Sie am Schluss weit mehr haben als einen Kleiderkasten, der nicht mehr überquillt und eine Dusche, die glänzt.
  • Sich trennen von Überflüssigem – Raum machen. Was beeinträchtigt Lebensqualität in Ihrer Wohnumgebung? Was steht verstaubt herum? Bei welchen Dingen denken Sie immer wieder „Steht mir nur im Weg“? Welche Gegenstände erinnern Sie an Zeiten/Erfahrungen, die Sie nicht mehr in Ihrer Wohnung haben wollen? Doch man kann noch einen Schritt weitergehen. Man kann sich auch trennen von Dingen, die einem lieb sind – einfach, um Raum zu gewinnen. Wayne Dyer, ein Bestsellerautor, hat eines Tages sein ganzes Büro inklusive gesamter Bibliothek aufgelöst. Ein Autor, der seine Bibliothek auflöst! Er wollte Raum machen – buchstäblich und symbolisch. Kurze Zeit darauf hat er sich in eine neue Thematik vertieft, sich ein Jahr Zeit dafür genommen. Resultat: Ein weiterer Bestseller.

Was lässt sich damit gewinnen?

  • Gute Gefühle. Egal, ob Putztag oder Entsorgungsaktion: Es gibt ein gutes Gefühl. Freude am schönen Resultat. Zufriedenheit, etwas angepackt zu haben, was man vielleicht schon lange vor sich hergeschoben hatte. Dankbarkeit für all die schönen Dinge, die man um sich hat. Gute Gefühle sind Nahrung für die Lebensgestaltung.
  • Energie: Nach einer Putz- oder Aufräumaktion sind Sie vielleicht müde. Doch Sie können sich auf die Schulter klopfen, angepackt zu haben. Sie können den Unterschied genießen. Das setzt Energie frei.
  • Selbstwirksamkeit, das Gefühl und die Erfahrung, Dinge und Situationen beeinflussen zu können. Mit einer Putz- oder Aufräumaktion gestalten Sie buchstäblich Ihr Leben, richten es sich so ein, dass Sie sich wohl fühlen. Nachher ist anders als vorher. Das motiviert, auch in anderen Bereichen Regie zu übernehmen.
  • Kreativität. Beim Putzen oder Aufräumen kann man wunderbar Gedanken ziehen lassen. Und so kommt es vor, dass man Fenster putzt – und plötzlich eine Idee hat. So ist mir beim Putzen die Idee zu diesem Newsletter gekommen.
  • Übertragbar auf andere Lebensbereiche. Sie können einen Frühjahrsputz als Symbol nehmen für Ihre Lebensgestaltung. Sie können diese drei Schritte – „Schätzen und pflegen, was man hat“, „Ordnung machen“, „Sich von Überflüssigem trennen“ – in andere Lebensbereiche übertragen. Etwa auf die Situation am Arbeitsplatz. Oder die Partnerschaft. Oder die persönliche Entwicklung. Oder die finanzielle Situation. Was läuft hier gut? Was will ich noch bewusster schätzen? Wie kann ich das pflegen? Was steht mir im Weg, stört mich? Was will ich eigentlich schon lange anpacken? Wovon will ich mich trennen?

So verstanden kann ein alltägliches, für viele wohl altmodisches Ritual wie ein Frühjahrsputz Anlass sein, Dinge noch anders zu betrachten. Es kann Anlass sein zu einer anderen Haltung und zu interessanten Beobachtungen. Und es kann zu Erfahrungen führen, die über den Komfort eines endlich aufgeräumten Schreibtisches hinausgehen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen vergnügliche Stunden bei der Gestaltung Ihrer Wohnumgebung. Und die Erfahrung, dass damit viel Positives bewirkt wird.

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

  • Am besten: Ausprobieren. Umsetzen. Vielleicht wollen Sie den Staubsauger in die Hand nehmen, eine Schublade entrümpeln, die Küche aufräumen, sich mit einer Freundin zu einem gemeinsamen Putztag verabreden – oder auch nur einmal genau hinschauen und genießen, was es alles Schönes gibt in Ihrer Wohnung. Es freut mich, wenn Sie mit der Perspektive dieses Newsletters Neues beobachten, entdecken, auf Ideen kommen oder Dinge anpacken, die Sie schon lange anpacken wollen.
  • Ein Frühlingsputz kann als Symbol produktiven Umgangs mit Veränderung gesehen werden: Man klärt für sich, was für einen eine schöne Wohnumgebung ausmacht. Man sieht, was allenfalls anzupacken ist. Und die Erfahrung, Regie übernehmen, gestalten und positive Resultate erzielen zu können, stärkt das Vertrauen, dass es sich lohnt, aktiv zu werden, sich auch mal zu überwinden. Was Sie bei so etwas Alltäglichem wie einem Putztag tun, können Sie auf Situationen übertragen, in denen Sie etwas ändern wollen oder müssen. Mehr Anregungen zu den Schlüsseldimensionen erfolgreichen Umgangs mit Veränderung in meinem Buch „Neuanfänge – Veränderung wagen und gewinnen“.

 

 


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