Neuanfang – Wer auf die Nase fällt, ist nicht gescheitert

Grüezi – Guten Tag!

Willkommen im neuen Jahr! Schön, Sie auch 2022 unter den Lesenden zu wissen. Heute die Geschichte einer Frau, die einen Neuanfang in einem völlig anderen Leben gewagt hat, nach ein paar Jahren zurückgekehrt ist – und den Schritt trotzdem wieder tun würde.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

Neuanfang – Wer auf die Nase fällt, ist nicht gescheitert

Kürzlich wurde ich von Schweizer Radio SRF2 Kultur für ein Interview angefragt. Die Journalistin Susanne Schmugge erzählte mir, es gehe um die Geschichte von Menschen, die um die Lebensmitte herum nicht nur den Wunsch haben, noch etwas völlig Neues zu machen, sondern es auch tun – doch schließlich wieder in die alte Lebenssituation zurückkehren. Und dennoch nicht bereuen, den Schritt gewagt zu haben.

Die, die mich und meine Arbeit kennen, wissen, dass ich zurückhaltend bin, wenn es um den „großen Absprung“ geht. In den vergangenen Jahren habe ich oft gesehen, wie Menschen in eine Art Veränderungsstress geraten und sich unter Druck setzen, eingreifende Veränderung wagen zu müssen. Andere ergreifen in einer oft über viele Jahre angestauten Unzufriedenheit über die aktuelle Lebenssituation plötzlich die Flucht nach vorn. Die treibenden Kräfte sind dann häufig nicht ein motivierender Horizont, ein klares inneres Bild einer neuen Lebenssituation, für die man sich einsetzen will und kann, sondern ein ungeklärter Druck oder Wunsch, etwas verändern zu müssen. Das Motiv ist es dann weniger, sich für etwas einzusetzen, sondern von etwas wegzukommen. Das berühmte Gras auf der anderen Seite des Zauns lockt. Häufig führen dann eingreifende Veränderungsschritte nicht nur zu Ernüchterung, sondern zu „mehr desselben“ und nicht selten auch zu neuen realen, etwa finanziellen Problemen.

Doch die Art, wie Frau Schmugge diesen Radiobeitrag aufziehen will, macht mich neugierig und spricht mich an. Der Schwerpunkt liegt nicht auf einem Appell, dass nun jeder sein Leben auf den Kopf stellen sollte und ein Langweiler ist, wenn er oder sie es nicht tut. Der Schwerpunkt liegt darauf, sachlich hinzuschauen, was die Realitäten sind, die mit einem einschneidenden Neuanfang verbunden sein können. Und dass es auch eine Realität sein kann, dass erneut Weichen gestellt werden müssen, ja, dass man schlussendlich wieder zurückkehrt in die alte Situation.

So lade ich Sie ein, den Podcast „Neuanfang mit 50: Wer auf die Nase fällt, ist nicht gescheitert“ auf Schweizer Radio SRF2 Kultur vom 31.12.2021 zu hören (klicken Sie einfach auf den Link). Eben gerade nicht mit einem Appell, dass Sie alles hinter sich lassen und ein völlig neues Leben beginnen sollten. Vielmehr, um sich vom Schwung, dem Idealismus und zugleich der Ehrlichkeit und dem Pragmatismus dieser „Aufbrecherin“, die hier ihre Geschichte erzählt, anregen und inspirieren zu lassen.

Und vielleicht nehmen Sie diese Geschichte als Anlass, sich Fragen zu beantworten wie: Gibt es bei mir Wünsche nach Veränderung? Was ist damit verbunden? Ist dazu ein radikaler Schritt nötig? Wie würde dieser aussehen? Wie würde ich im Neuen leben? Was wären die Konsequenzen? Auch: Kann ich das, was mit meinem Veränderungswunsch verbunden ist, schon hier und jetzt leben? Welche Schritte kann ich bereits jetzt umsetzen? Schließlich: Wie gehe ich in Situationen vor, in denen ich voller Idealismus etwas Neues begonnen habe und unterwegs feststelle, dass es eine neue Weichenstellung braucht? Gestehe ich mir zu, neu zu entscheiden?

 

Vom Mut, aufzubrechen, Verantwortung zu übernehmen – und sich zuzugestehen, Weichen neu zu stellen

Was mir an der Geschichte von Frau Heuermann gefällt:

  • Keine impulsive Flucht: Frau Heuermann ist nicht aus Unzufriedenheit heraus aufgebrochen. Sie folgte einem alten Traum – mit Neugierde, Offenheit, einer gehörigen Portion Idealismus sowie auch Bereitschaft, sich voll ins Neue hineinzuknien und Verantwortung für ihre Entscheidung zu übernehmen.
  • Die Kombination von Idealismus und Realismus: Das Vorgehen von Frau Heuermann mag naiv anmuten. Sie unterscheidet sich aber von „Überoptimisten“ dadurch, dass sie sich rauen Realitäten und realen Problemen stellt, anpackt und auch dann pragmatisch neue Möglichkeiten findet, wenn der ursprüngliche Traum zum Albtraum wird.
  • Bereitschaft, genau hinzuschauen: Frau Heuermann unterlag nicht einem Erfolgszwang. Sie musste niemandem etwas beweisen. Sie musste nicht um alles in der Welt am Neuen festhalten. Sie nahm die Signale wahr, die deutlich machten: Hier steht eine weitere Weichenstellung an.
  • Mut, die Weichen erneut umzustellen: Frau Heuermann war ausgerichtet auf ihren motivierenden Horizont eines freien, selbstbestimmten Lebens. Als sie feststellte, dass das neue Leben ihr den Lebensrhythmus viel stärker vorgab als das Leben, aus dem sie aufgebrochen war, zog sie Konsequenzen und kehrte in ihre alte Lebenssituation zurück.
  • Annahme statt Versagergefühle. Frau Heuermann ist ein schönes Beispiel einer „Aufbrecherin“. Sie kehrte zurück in die alte Situation – und hat dennoch die Haltung, dass es für sie eine sehr wertvolle Erfahrung war, die sie nicht missen möchte. Manche würden dies als Scheitern bezeichnen. Frau Heuermann sieht ihr Abenteuer als Phase in ihrem Leben, die sie in ihrer Entwicklung gestärkt und vorangebracht hat.

 

Eingreifender Neuanfang oder Veränderung in kleinen Schritten?

Vielleicht fragen Sie sich: Muss man denn erst in die Wildnis Nordamerikas ziehen, um schließlich wieder zurückzukehren?

In der Tat: Selbst vertrete ich die Haltung, dass es im Kern immer darum geht, einen motivierenden Horizont zu entwickeln und Schritte in dessen Richtung umzusetzen. Meist lässt sich das prima aus der aktuellen Situation heraus tun. Zugleich gibt es Menschen, zu denen es passt, einen radikalen Schritt zu wagen – nicht, um zu flüchten oder jemandem etwas zu beweisen, sondern einfach, weil man rational und emotional dahintersteht.

Diese Frage – eingreifender Neuanfang oder Veränderung in kleinen Schritten? – ist die Leitfrage eines anderen Interviews, zu dem ich kürzlich von der deutschen Frauenzeitschrift Emotion angefragt wurde. Dazu mehr in der nächsten Newsletter-Ausgabe.

Für heute wünsche ich Ihnen, dass Sie schwungvoll in dieses neue Jahr gestartet sind. Und dass Sie Kurs nehmen auf Ihren ganz persönlichen motivierenden Horizont und mit Mut, Entschlossenheit und Vertrauen Schritte in dessen Richtung umsetzen – egal, ob es kleine Schritte im Alltag sind oder ob Sie wie Frau Heuermann einen Neuanfang wagen. Alles Beste!

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

 


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