Grüezi – Guten Tag!
Willkommen zurück nach der Newsletter-Sommerpause. Schön, sind Sie wieder da. Hoffentlich gestärkt mit neuer Energie und Lebensfreude. Ich lade Sie ein, sommerliche Leichtigkeit mit in den Herbst zu nehmen, indem ich diesen Newsletter etwas Alltäglichem widme, das mir gerade diesen Sommer besonders viel Freude bereitete: Bei meinen täglichen Spaziergängen hier in Den Haag pflege ich das „Praatjes maken“, wie ich das nenne: Ein Schwätzchen machen mit Menschen, die mir begegnen. Sorgt für gute Laune und ist ein wahrer Energiespender. Nicht selten auch mehr. Was haben solche Schwätzchen mit „Umgang mit Veränderung“ zu tun?! Mehr als es auf den ersten Blick scheint.
Viel Anregendes wünscht Ihnen
Inhalte
- „Praatjes maken“ – Was kurze Begegnungen im Alltag bewirken können
- Und was hat „Praatjes maken“ zu tun mit „Umgang mit Veränderung“?!
- Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
„Praatjes maken“ – Was kurze Begegnungen im Alltag bewirken können
Ich liebe meine täglichen Spaziergänge hier in Den Haag. Wenn immer möglich, mache ich dies zusammen mit meinem Mann. Wir beide finden es schön, „Praatjes“ zu machen – kleine Schwätzchen anzufangen mit Menschen, die uns positiv auffallen, etwa
- mit dem Straßenreiniger in unserer Strasse: Seit längerem ist uns dieser Herr aufgefallen. Er grüsst immer ganz fröhlich. Eines Morgens sprechen wir ihn an, sagen, dass wir es schön finden, dass er so gut zu „unserer“ Strasse schaut. Mit natürlichem Stolz erzählt er, dass er zuständig ist für dieses Quartier. Je nach Wetter und Jahreszeit plant er seine Strecke etwas anders ein. Er liebt es, draußen zu sein und seine Arbeit selbst einteilen zu können. Wir lernen einen Mann kennen, von dem viele etwas über natürliche Souveränität, positive Lebenseinstellung und Lebensweisheit lernen könnten. Gut gelaunt setzen wir den Spaziergang fort. Seither immer wieder mal ein „Praatje“ oder ein fröhliches Winken.
- mit Hundebesitzern: Die letzten Wochen führten die Spaziergänge oft an den Strand hier in Den Haag. Sommerliche Stimmung: Gut gelaunt, entspannt, jeder genießt. Es gibt viele Hundebesitzer hier. Wir machen uns einen Sport daraus und sprechen sie an, wenn es sich ergibt. Etwa einen stämmigen Mann mit einem ebenso stämmigen großen Hund. Wir fragen: Was ist das für ein Hund? Erfreut über das Interesse erzählt er mit Begeisterung und Fachkenntnis. Wieder etwas gelernt. Und erfahren: Ein Mann, mit dem man keinen Streit bekommen möchte, ist ein super sympathischer und sensibler Kerl. Oder: Ich sehe einen lustigen, zottigen Vierbeiner und sage spontan zu dessen Besitzer: „Was für ein schöner Hund!“ Worauf der Herr erzählt, dass dieser Vierbeiner aus einem Asyl in Spanien kommt. Ein Wort gibt das andere. Oder: Ein Paar, das gerade daran ist, seinen Hund in einen Fahrradanhänger zu bugsieren. Wir schauen amüsiert zu, lachen. Sie lachen zurück und sagen: „Ja, er hat ein Cabrio“. Wir: „Schön, wenn man als Hund so gutes Personal hat!“ Die Fröhlichkeit begleitet uns durch den Rest des Abends.
- mit Handwerkern: Hier in Den Haag wird viel an Häusern gearbeitet. Wenn wir eine Arbeit sehen, die gut gemacht ist, machen wir eine anerkennende Bemerkung. Auch hier beginnen die Menschen erfreut von ihrem Fach zu erzählen. Und für alle ist der Rest des Tages gut.
- mit Fischern am Stadtteich: In der Nähe gibt es einen Park mit einem großen Teich. Da sitzen regelmäßig Männer beim Fischen. Oft sind es Pensionierte, die früher auf den großen Fischerschiffen über die Meere gezogen sind. Und schnell einmal führt die Frage, ob die Fische heute anbeißen, zu einem Gespräch über frühere und gegenwärtige Zeiten, über Veränderungen in den Niederlanden. Die Männer haben wohltuend gesunden Menschenverstand und vieles zu erzählen. Inzwischen sind wir mit Ben, Dirk, Jan, Kees und weiteren per Du… und jedes Mal freuen sich alle, wenn man sich wieder sieht.
Ich könnte ein Buch über solche Begegnungen schreiben. Doch hier geht es mir darum, darauf aufmerksam zu machen, was solche „Praatjes„ bewirken:
- Gute Laune: Ein „Praatje“ kann nur ein paar Minuten dauern. Braucht keine tiefschürfende Abhandlung zu sein. Doch sorgt immer für gute Stimmung. Und diese gute Laune begleitet durch den Tag.
- Bereicherung: Solche kurzen Begegnungen schenken einen Einblick in Lebenswelten, Sicht- und Denkweisen, Erfahrungen, Interessen und Kompetenzen von unterschiedlichsten Menschen. Was wir schon alles gelernt haben…
- Distanz zum eigenen Alltag: Meine bzw. unsere Spaziergänge sind sozusagen wandelnde Sitzungen. Ich treffe strategische Entscheidungen in Bezug auf meine Arbeit, sammle Ideen für Veranstaltungen, mache Notizen für meine Texte, bereite mich mental auf ein Kundengespräch vor usw. Ein „Praatje“ unterbricht diese Kopfarbeit, eröffnet andere Welten und regt neue Ideen an.
- Ein Gefühl von „Zuhause sein“: Einigen Menschen begegnen wir immer wieder. Die Schwätzchen werden länger, persönlicher. Manchmal auch einfach ein freundlicher Gruß. Manchmal entstehen Freundschaften.
- Nicht selten auch mehr: Weil ich vor vielen Jahren mit meiner damaligen Nachbarin ein Schwätzchen über die kaputte Waschmaschine im Haus begann, lebe ich heute einen Teil des Jahres in Den Haag. Über diese Nachbarin bin ich Jahre später meinem niederländischen Mann begegnet… Oder: Während einem „Praatje“ mit dem Inhaber der Informatik-Firma, bei der ich letzthin mein neues Laptop gekauft habe, erfuhr ich, dass er wegen einem solchen Schwätzchen jetzt Inhaber dieser Firma ist. Er war als Teenager von seiner Familie „beauftragt“ worden, sich in einem Geschäft zu erkundigen für einen neuen „Familiencomputer“. Er war Informatik-Freak. An einem Nachmittag zog er also los. Die Eltern machten sich schon Sorgen, weil es immer später wurde – kein Sohn weit und breit. Schließlich kam dieser freudig nach Hause; er hatte so enthusiastisch mit dem Geschäftsinhaber über Computer gefachsimpelt, dass ihm dieser kurzerhand eine Stelle anbot… Heute, Jahre später, ist er selbst Inhaber dieser Firma.
Solche Begegnungen sind also „Gute-Laune-Produzenten“, Energiequelle und nicht selten auch mehr. So weit so gut.
Und was hat „Praatjes maken“ zu tun mit „Umgang mit Veränderung“?!
Nun denken Sie vielleicht: „Aber ich habe es doch mit einer seriösen Veränderung zu tun. Was soll das?! Ich muss doch Lösungen finden – und habe keine Zeit für ‚Praatjes‘!“
„Praatjes“ sind eine Ressource – auch in Veränderungssituationen:
- Man erfährt in einer alltäglichen Situation, Regie übernehmen und selbst positive Erfahrungen bewirken zu können. Viele Menschen haben das Gefühl, keinen Einfluss nehmen zu können auf ihre Situation, ihr Wohlbefinden und die Umgebung. Wer anfängt, „Praatjes“ zu machen, erfährt in einer kleinen, alltäglichen, ganz konkreten Situation, sehr wohl etwas tun und in Bewegung setzen zu können. Damit wird Selbstwirksamkeit – das Gefühl, selbst dazu beitragen zu können, wie sich Dinge entwickeln – gestärkt. Etwas sehr Wichtiges in Veränderungssituationen.
- Man aktiviert mitten im Alltag positive Gefühle. Wir wissen z.B. aus der motivationspsychologischen Forschung, dass die Fähigkeit, selbst positive Gefühle zu aktivieren, essenziell ist, wenn es darum geht, etwas anzupacken. Positive Gefühle sind sozusagen der Motor, Schritte zu wagen, auch Unangenehmes anzupacken. Mit einem „Praatje“ lassen sich positive Gefühle aktivieren – jederzeit, unkompliziert, gratis.
- Man kommt auf neue Gedanken und Ideen. In Veränderungssituationen sind Menschen oft fixiert auf das, was sie anpacken wollen oder müssen bzw. aufs Ziel – etwa, eine Stelle oder einen Partner zu finden, zehn Kilo abzunehmen. Wie Steve de Shazer, Pionier und wichtiger Vertreter Lösungsorientierter Kurzberatung, formulierte: „Das Drehen um ein Problem wird oft zum eigentlichen Problem.“ Auch wenn man kein Hundeliebhaber ist: Offenheit und Interesse sowie ein kurzes Eintauchen in andere Welten bewirkt oft, dass neue Ideen entstehen. U.a. aus Untersuchungen in der Motivationspsychologie wissen wir, dass durch Distanznehmen jene Bereiche im Gehirn angeregt werden, die „zuständig“ sind für Intuition, Kreativität und Zugang zu unserem Erfahrungsschatz. Die Distanz, die ein „Praatje“ schenkt, ermöglicht, mit neuer Optik und neuem Schwung an die Aufgaben zu gehen, die es zu bewältigen gilt.
- Man erfährt, dass gerade kleine, scheinbar belanglose Schritte viel bewirken können. Wer nach einem „Praatje“ gut gelaunt den Tag fortsetzt, hat eigenständig eine Energiequelle angezapft, ist gelöster, kommt eher auf gute Ideen. So kann ein „Praatje“ bewirken, dass man an diesem Tag beschwingt endlich die Wohnung aufzuräumen beginnt oder ein schwieriges Telefonat in Angriff nimmt – was man bisher vor sich her geschoben hat. Kleine Schritte – auch oder gerade an Orten, die nichts mit der Veränderung selbst zu tun haben – können Prozesse in Gang setzen bzw. unterstützen.
Ohne „Praatjes“ instrumentalisieren oder als Allerweltsrezept anpreisen zu wollen, möchte ich Sie ermuntern, selbst damit zu experimentieren und zu schauen, was passiert. Einige Bemerkungen dazu:
- Es muss echt sein. „Praatjes“ müssen von Herzen kommen. Gespieltes Interesse oder floskelhafte Nettigkeiten werden wenig bewirken. Der Fokus liegt nicht darauf, dass Sie jetzt alle Hundebesitzer anquatschen, sondern darauf, offen und neugierig durch den Alltag zu gehen und Menschen, die Ihnen in irgendeiner Weise positiv auffallen oder die Sie echt interessieren, mit einer einfachen Bemerkung anzusprechen. Menschen spüren, ob Sie meinen, was Sie sagen.
- Es muss „passen“. Sie müssen jetzt nicht jeden Tag Spaziergänge machen oder plötzlich jeden Hundebesitzer ansprechen. Finden Sie Ihre eigene Formen und Orte. Sei es, dass Sie im Kleidergeschäft stehen und sehen, wie gut ein Kleid einer anderen Kundin steht – und das auch sagen. Sei es, dass Sie dem Verkäufer am Marktstand ein Kompliment machen für die guten und schön präsentierten Produkte und vielleicht auch interessiert nachfragen, woher er diese bezieht.
- Spielerisch: Letzthin las ich, wie einem Mann beim täglichen Jogging aufgefallen ist, dass andere Jogger oft ziemlich verbissen und abwesend dreinschauen. Er begann mit einem Experiment: Ab sofort grüsste er jeden anderen Jogger. Am Anfang schauten sie komisch. Nach einer Weile grüssten einige zurück. Schließlich wurde es ein fröhliches Ritual.
- Keine Erwartung. Wenn Sie jetzt mit Ihrer Nachbarin das Gespräch über die Waschmaschine suchen, weil Sie erhoffen, so Ihren Partner kennen zu lernen, ist das wenig Erfolg versprechend. Ein Schwätzchen einfach aus Wertschätzung, Freude, echtem Interesse oder weil es sich ergibt, ist nicht ein Mittel zum Zweck. Es ist sozusagen ein kleines Geschenk an andere und sich selbst – mit aller Freiheit, dass es einfach bei einem kurzen schönen Moment bleibt.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen, viele fröhliche Begegnungen und die Erfahrung, wie positiv sich „Praatjes“ im Alltag auswirken können. Auf dass Sie damit auch etwas von der sommerlichen Leichtigkeit mit in den Herbst nehmen.
Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
- „Praatjes maken“ hat sehr viel zu tun mit Offenheit: Offenheit für das, was Ihnen begegnet. Offenheit für andere Menschen. Ohne Offenheit keine „Praatjes“. Offenheit ist zugleich auch essenziell im Umgang mit Veränderung. Wer offen ist – sich also nicht auf Lösungsschritte fixiert, Prozesse beschleunigen, Resultate abzwingen will und sich gerade damit häufig erschöpft – wird immer wieder erfahren, dass sich Ideen, Möglichkeiten und Lösungen ergeben. Mehr dazu in meinem Newsletter 2016/06 „Offenheit – Essenziell für positive Resultate im Leben“.
- Offenheit ermöglicht nicht nur schöne Erfahrungen mit „Praatjes“, sondern ist ein essenzielles Element, wenn es darum geht, Vertrauen aufzubauen – Vertrauen, Wichtiges erreichen zu können, Vertrauen ins Leben. Mehr dazu in meinem Buch „Neuanfänge – Veränderung wagen und gewinnen“.
- „Praatjes maken“ kann auch helfen beim Meistern von Schwierigkeiten, die es in Veränderungssituationen immer geben kann. Wer beispielsweise mit angeschlagenem Selbstvertrauen unterwegs ist, kann mit solchen Schritten ganz bewusst trainieren, Selbstvertrauen aufzubauen. Oder wer vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht und durch ein „Praatje“ Distanz gewinnt, kann erfahren, dass so neue Ideen entstehen. In meinem Buch „Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern“ nehme ich solche Hindernisse unter die Lupe.
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