Sehen, was getan, geschafft, erreicht ist

Grüezi – Guten Tag!

In Veränderungssituationen, aber auch im „gewöhnlichen“ Alltag, ist der Blick oft auf das gerichtet, was noch alles zu tun ist. Manchmal kommt zu kurz, zu sehen, was alles getan, geschafft, erreicht ist. Mit diesem Newsletter möchte ich daran erinnern, dass das Sehen von Erreichtem eine wichtige Ressource und Motivator ist für das, was vor einem liegt. Und Sie damit ermuntern, sich immer wieder mal Zeit zu nehmen für einen wohlwollenden Blick zurück.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

Wie ein Jahresabschluss zur Energiequelle wird…

Jahresabschluss… jeder Unternehmer kennt das Ritual: Buchhaltung, Unterlagen zusammenstellen für die Steuerbehörden. Nicht sehr spannend. Und doch…

Dieses Jahr habe ich mir Zeit genommen, neben Zahlen auch Inhalte in den Blick zu nehmen. Ich stöberte durch meine Agenda des vergangenen Jahres – und dieser Bürotag, den ich nicht sehr begeistert angefangen hatte, wurde ein richtiger Energiespender. Ich sah: „Ah, dies war ja auch noch.“ Und: „Genau, dieses Kundengespräch hat zu diesem schönen neuen Auftrag geführt.“ Oder: „Wow, ich habe ganz vergessen, dass dort noch dieses Extraprojekt dazwischenkam.“ Am Abend waren nicht nur die Zahlen parat zum Weiterleiten, sondern war ich ganz vergnügt – voller Freude darüber, was doch im vergangenen Jahr alles Platz hatte, gemeistert wurde und motivierend war.

Diese Erfahrung erinnerte mich an ein wichtiges Prinzip und veranlasste mich zu diesem Newsletter: Es ist nicht nur wichtig, nach vorne zu schauen. Es ist nicht nur wichtig, anzupacken, umzusetzen, sich für Ziele einzusetzen. Es ist auch wichtig, zu sehen, was alles getan, geschafft, erreicht ist.

Viele Menschen sind so fokussiert auf zu Erledigendes, zu Erreichendes, dass sie nicht (mehr) sehen, was sie alles schon gemacht haben, was gelungen ist und gut läuft. Oder sie werten Zwischenerfolge ab, weil für sie nur das angestrebte Ziel zählt.

Eine Beratungskundin, lassen wir sie Anna nennen, will nach einer Familienphase wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen. Sie ist gelernte Lehrerin, zugleich unschlüssig, ob sie in diesen Beruf zurückkehren will. Eine Freundin macht sie auf eine freie Stelle in einer Bibliothek aufmerksam: „Das wär doch was für Dich. Du kannst gut mit Menschen umgehen, kennst Dich aus in Büchern, schätzt den Kontakt zur lokalen Bevölkerung.“ Anna informiert sich über die Stelle. Die Stelle interessiert sie. Sie bewirbt sich. Und kommt auf Anhieb in die engste Wahl: Sie ist eine der drei Bewerbenden, die für die Stelle ins Auge gefasst werden. Am Schluss erhält sie die Stelle nicht; die Wahl  fällt auf die Person mit der meisten Bibliothekserfahrung. Anna ist untröstlich: „Ich hab’s ja gewusst, es wird schwer, eine Stelle zu finden.“ Meine Reaktion: „An Ihrer Stelle wäre ich stolz. Sie sind bei Ihrer ersten Bewerbung nach vielen Jahren auf Anhieb in die engste Auswahl gekommen. Und dies erst noch ohne fachspezifische Ausbildung und Erfahrung. Da haben Sie etwas sehr gut gemacht! Daraus können wir jetzt Informationen fürs Weitergehen sammeln.“

Gelungene Schritte, Fortschritt, Mutmacher nicht zu sehen oder abzuwerten ist nicht nur Nährboden für Mangel- und Opferdenken („Mir fehlen eben die richtigen Beziehungen, die Ausbildung, das nötige Geld…“, „Andere haben mehr Glück, werden bevorzugt, haben es einfacher…“) sowie Unzufriedenheit („Ich bin frustriert, noch immer nicht erreicht zu haben, was ich anstrebe.“). Es beeinträchtigt auch Motivation, Mut und (Selbst-)Vertrauen.

 

Sehen, was getan, geschafft, erreicht ist – Ressource und Motivator

Egal, ob Sie einen Job suchen, zwanzig Kilos abnehmen, das Haus entrümpeln, ein eigenes Geschäft gründen, Neues lernen, eine Prüfung vorbereiten, eine schwierige Lebensphase meistern, destruktive Sicht- und Verhaltensweisen ablegen oder ganz einfach zufrieden(er) durchs Leben ziehen wollen: Das Sehen und Wertschätzen von gemachten Schritten ist einfach praktizierbar, kostet nichts (außer etwas Zeit), fördert Motivation und macht Mut.

Wer sieht, was getan, geschafft und erreicht ist,

  • versetzt sich selbst in gute Stimmung. Es fühlt sich gut an, zu sehen: Die letzten zwei Wochen wurde ich drei Mal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Oder: Ich habe es geschafft, in der letzten Teamsitzung Vorschläge einzubringen statt nachher mit Kolleginnen zu jammern. Oder auch: Es ist mir gelungen, mir nicht auf die Hörnchen zu geben, weil ich meine ambitiösen Ziele nicht innerhalb des vorgenommenen Zeitraums erreicht habe; stattdessen habe ich geschaut, wie ich realistischer vorgehen kann. So aktivieren Sie selbst positive Gefühle. Gefühlsregulation, die Fähigkeit, selbst positive Gefühle zu erzeugen bzw. negative Gefühle zu drosseln, ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, Schritte umzusetzen, Hindernisse zu bewältigen und Erfolg zu erzielen;
  • stärkt Selbstvertrauen. Wer etwa sieht „Ich habe den Anfang gewagt! Ich habe dieses Gefühl, vor einem unüberwindbaren Berg zu stehen, durchbrochen, und jetzt schon all diese Schritte geschafft.“, stärkt aktiv sein Selbstvertrauen. Wir wissen aus der Forschung, dass Menschen mit angeschlagenem Selbstvertrauen oft viel von sich selbst fordern, dabei aber Erfolge „übersehen“ oder abwerten. Oder sie können sich schon gar nicht erst aufraffen, „Ach‘ ich schaff’s ja doch nicht“. Beides fördert negative Gefühle sich selbst gegenüber, beeinträchtigt das Handeln und Lebensqualität;
  • erhält Informationen fürs Weitergehen. Wie ist es eigentlich gekommen, dass ich diese erste Woche die Diät so gut durchgehalten habe – was war dabei hilfreich? Warum ist es mir dieses Mal gelungen, diese Arbeit gleich anzupacken, statt vor mich hinzuschieben – was kann ich daraus ableiten für das nächste Mal?
  • baut Motivation und Mut auf für weitere Schritte. Etwa: Wenn ich sehe, wie oft es mir jetzt schon gelungen ist, mich in ein Gespräch einzubringen statt zu schweigen, motiviert mich das, dies erneut zu tun.

Hier einige Ideen, wie Sie das Sehen von Geschafftem, Erreichtem auf spielerische Weise in den Alltag integrieren können:

  • Positive Stichworte in der Agenda: Jeden Abend in die Agenda ein Stichwort eintragen, das an einen gelungenen Schritt des Tages erinnert, etwa: „Habe Telefonat mit Herrn X erledigt, das ich so lange vor mir hergeschoben hatte.“ Wenn Sie später durch die Agenda blättern, insbesondere in Momenten, in denen Sie Ermutigung brauchen können, werden bei diesen Stichwörtern die damit verbundenen Erfahrungen und Gefühle aktiviert.
  • Erfolgs-/Mutmachertagebuch: Gemachte Schritte, Erfolgserlebnisse, Aufsteller, Mutmacher festhalten. Vertiefung mit der Frage: Wie kann ich das, was mir heute gelungen, gut gelaufen ist, vermehrt / wieder tun?
  • Sich an frühere Erfolge erinnern: Gerade wenn man vor einer scheinbar unüberwindbaren Aufgabe steht, ist es hilfreich, sich zu erinnern: Wann habe ich Ähnliches gemeistert? Wie habe ich das damals geschafft? Was war hilfreich? Und was kann ich daraus folgern für das, was jetzt ansteht?
  • Sich eine Kiste mit „Trophäen“ zulegen: Vergegenwärtigen Sie sich Erfolgserlebnisse und/oder Ressourcen, die Ihnen schon oft geholfen haben. Finden Sie dazu ein passendes Foto oder einen kleinen Gegenstand. Etwa: Eine Kopie eines besonders guten Arbeitszeugnisses. Oder ein Foto aus Ihrer Kindheit, das Sie zeigt, wie Sie voll in Ihrem Element sind. Oder ein Gegenstand, den Sie von einer Person geschenkt bekommen haben, die Sie immer wieder ermutigt. Legen Sie all diese Dinge in eine schöne Kiste und öffnen Sie diese bei Bedarf.
  • Sich mit Freunden austauschen: Erzählen Sie sich bei einer Tasse Kaffee, worauf Sie stolz sind in Ihrem Leben. Blicken Sie zurück auf Aufgaben, die Sie (vielleicht gemeinsam) gemeistert, Hindernisse, die Sie bewältigt haben. Schwelgen Sie in positiven Erinnerungen.
  • Kamera in Griffnähe: Fotografieren Sie Alltägliches, das Ihnen Energie gibt. Das können Fotos sein, die Sie an geschaffte Schritte erinnern, etwa das frisch entrümpelte Büchergestell, ein Foto von sich selbst nach Studienabschluss oder wie Sie nach dem Tod Ihres Mannes das erste Mal allein mit Freunden etwas unternehmen. Es können auch Fotos sein, die später ein Lächeln, Freude, eine schöne Erinnerung aktivieren und gerade in Momenten Mut machen, in denen Sie dies brauchen können: Etwa ein frisch gebackener Kuchen, Ihr geliebter Spazierweg, der Freund, der Sie immer ermuntert, vorwärts zu gehen, ein Ort, an dem Sie sich gerne aufhalten. Laden Sie diese Fotos auf Ihr Laptop oder Tablet und lassen Sie sie auf dem Bildschirmschoner in Zufallswahl vorüberziehen – sie werden Ihnen immer wieder Schönes, Wichtiges, Wohltuendes in Erinnerung rufen und Ihnen neue Energie schenken.

Ich wünsche Ihnen viele ermutigende, wohltuende, amüsante, fröhlich stimmende Erfahrungen beim Sehen und Wertschätzen von Schritten, die Sie gewagt und geschafft haben, von Dingen, die Ihren Alltag lebenswert machen und Anlass geben, vorwärts zu gehen und dranzubleiben.

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

  • Wie erwähnt, kann die Schwierigkeit, Fortschritt und Erfolge zu sehen und sich darüber zu freuen, mit angeschlagenem Selbstvertrauen zu tun haben. Mehr dazu im Kapitel 7 „Da ist dieser innere Kritiker…“ in meinem Buch „Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern“. Ein weiterer Stolperstein, der verhindert, zu sehen, was einem schon alles gelungen ist, können Auffassungen sein wie „Eigenlob stinkt“. Mehr dazu im Kapitel 3 „Das Leben ist kein Wunschkonzert!“ im gleichen Buch.

 

 


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