Veränderungen in Unternehmen: Was können Führungskräfte (besser) machen?

Grüezi – Guten Tag!

Veränderungen in Unternehmen sind Dauerthema. Gegenwärtig erst recht. Was können Führungskräfte (besser) machen? Präzise: Wie können sie ermöglichen, dass das Meistern äußerer Veränderungen und Erreichen unternehmerischer Ziele mit natürlicher Veränderungskompetenz innerhalb der Organisation verbunden wird? Mehr dazu in diesem Newsletter. Und: Auch wenn Sie keine Führungsposition innehaben, können Sie das Thema auf den Tisch bringen. Impulse, Dinge (noch) besser zu machen, brauchen nicht immer „von oben“ zu kommen, sondern können auch „bottom up“ Positives bewirken.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

Veränderungen in Unternehmen sind Dauerthema – aktuell erst recht

Letzthin wurde ich von der schweizerischen ÖKK Krankenkasse angefragt für ein Podcast-Interview mit Titel „Wie gehe ich mit großen Veränderungen um, Sibylle Tobler?“ Im Vorfeld entwickelte sich ein angeregter Austausch mit der verantwortlichen Person. Ihr liegt ein Thema besonders am Herzen: „Das Thema ‚Umgang mit Veränderung‘ ist so wichtig. Gerade auch in Unternehmen. Veränderungen in Unternehmen sind Dauerthema. Was können Führungskräfte (besser) machen? Ich fände es spannend, wenn Sie im Podcast auf diese Frage eingehen.“ Im Interview setzt der Moderator andere Akzente, wir kommen nicht auf diese Frage zu sprechen. Weil ich sie aber interessant und wichtig finde und vor allem, weil ich immer wieder Ähnliches höre, widme ich diesen Newsletter dieser Frage.

Vorweg: Unternehmen sind gerade gegenwärtig gefordert. Sie müssen auf dauernd verändernde Bedingungen einspielen. Viele Führungskräfte machen alles, was sie können, um ihre Organisation und damit auch ihre Mitarbeitenden gut durch diese Zeit unternehmerischer und zugleich auch menschlicher Herausforderungen, Instabilität und Unsicherheit hindurch zu lotsen. Viele machen sehr gute Arbeit und haben Teams, die für sie durchs Feuer gehen. Ich habe viel Respekt vor Führungskräften, die Wege finden, strategische Ziele zu erreichen, unternehmerische Herausforderungen zu meistern und zugleich gerade in der aktuellen Situation ihre Teams „beisammenhalten“, wie es die Inhaberin eines Familienbetriebs mit 35 Mitarbeitenden ausdrückte.

Zugleich höre ich vermehrt von Organisationen, deren Führungskräfte so stark auf Durchsetzung neuer Strategien, Erreichen von Zahlen, Optimierung von Prozessen oder Einführung neuer Software fokussieren, dass reale Probleme bei der Umsetzung und der Druck, mit denen Mitarbeitende gerade im aktuellen Kontext konfrontiert sind, außer Sicht zu geraten scheinen. Ich denke etwa an einen Beratungsprofessional einer großen Arbeitsintegrationsorganisation, der mir von Konflikten im Team erzählt. Der Druck wird von allen Seiten grösser und nicht alle können gut damit umgehen. Meine Frage, ob die Führung dafür sorge, gemeinsam einen Kompass zu entwickeln, wie sie als Organisation, Team und auch individuell weiterhin stark bleiben, verneint diese Person. Oder ich denke an eine Beratungskundin in Führungsposition, die erzählt, dass ihre Vorgesetzten nur an Zahlen interessiert sind, während ihre Mitarbeitenden darauf fokussieren, mit möglichst wenig Aufwand diese Zahlen zu erreichen. Sie ist frustriert und will ihre Stelle kündigen (im letzten Newsletter erzählte ich von dieser Person). Oder ich denke an eine Organisation, für die ich seit vielen Jahren arbeite. Zum ersten Mal kommt es zu einer erheblichen Verzögerung einer Zahlung. Wie ich kurz vor den Festtagen, es ist kaum jemand erreichbar, die verantwortliche Person in der Buchhaltung ans Telefon bekomme, entschuldigt sich diese; es ist ihr sehr unangenehm. Sie erzählt, dass eine neue Software eingeführt wurde. Weil diese Probleme aufweist und es auch noch seit einiger Zeit Personalausfälle gibt, ist die Frau jetzt allein am Arbeitsplatz und am „Feuerlöschen“. Hier läuft etwas nicht gut.

 

Auf Veränderungen einspielen, Ziele erreichen und Tragfläche gewinnen

Es mag banal klingen und ist doch nicht selbstverständlich: Erfolgreiche Führungsarbeit ist immer mehr erfolgreiches Veränderungsmanagement. Veränderungsmanagement beinhaltet nicht nur die Fähigkeit zu Anpassung, Flexibilität und Kreativität im Umgang mit unternehmerischen Herausforderungen sowie die Kunst, mit Bodenhaftung und Weitsicht gute Strategien zu entwickeln und zugleich flexibel zu bleiben. Veränderungsmanagement beinhaltet mindestens ebenso die Fähigkeit, Tragfläche in der Organisation zu entwickeln, d.h. Mitarbeitende zu gewinnen und zu befähigen, Veränderungsprozesse mitzutragen. Im Kern heißt dies nichts anderes als Veränderungsbedarf der Organisation zu verbinden mit Veränderungskompetenz aller beteiligten Mitarbeitenden inklusive sich selbst.

Die beste Strategie kann nicht optimal umgesetzt werden, wenn Ziele und Aufträge kommuniziert werden, ohne sicherzustellen, dass Mitarbeitende verstehen, warum es diese Strategie braucht und ohne dass Mitarbeitende in den Prozess eingebunden werden.

Eine gute Führungsperson gibt nicht lediglich Strategien und Aufträge weiter. Eine gute Führungsperson schafft den Raum, dass Strategien gut umgesetzt werden können und mobilisiert die Veränderungskompetenz der Mitarbeitenden.

Das mag selbstverständlich tönen. In der Praxis höre ich oft, dass es genau hier schief geht. Mitarbeitende werden unter Druck gesetzt, sich selbst überlassen. Sie verstehen nicht, warum und wozu eine Veränderung implementiert werden soll. Sie fühlen sich nicht gefragt und nicht wertgeschätzt. Gerade im Kontext von COVID-19 habe ich auch gesehen, wie Führungskräfte Stress verbreiten – statt Stress aufzufangen.

So ist die Frage eben doch nicht ganz so banal: Was können Führungskräfte (besser) machen? Allerdings verstehe ich diese Frage nicht moralisch. It takes two to tango. Ich möchte vielmehr einladen, zu erkunden, wie positiv es für alle Beteiligten sein kann, wenn Führung und Team nicht nur auf äußere Veränderung und Erreichen von unternehmerischem Erfolg fokussieren, sondern zugleich die eigene Veränderungskompetenz stärken – und erfahren, dass so eine positive Kultur, Gesundheit, Motivation und Erfolg gedeihen können.

 

Mitarbeitende gewinnen, Veränderung mitzutragen

Mitarbeitende sind bereit und in der Lage, Veränderung mitzutragen, …

  • wenn sie verstehen, warum es Veränderung braucht und was bewirkt werden soll. Das erfordert eine klare Kommunikation der Strategie. Dies nicht mit dem Ziel, die Strategie zu diskutieren. Sondern mit dem Ziel, Transparenz zu schaffen und die Basis zu legen, auf der Mitarbeitenden mitdenken und beitragen können.
  • wenn sie die Möglichkeit erhalten, zu klären, wie sie sich so auf Veränderung einlassen können, dass sie selbst dahinterstehen. Dies sowohl als Mitglieder eines Teams (Was bedeutet diese Veränderung für uns als Team? Wie müsste die Umsetzung verlaufen, sodass wir als Team dahinterstehen und am Schluss sagen können „Es hat sich gelohnt!“?) als auch als Individuum (Welche Haltung nehme ich gegenüber dieser Veränderung ein? Wo liegen für mich die Chancen? Wo sehe ich Probleme? Wie könnte ich diese Veränderung nutzen, um fachlich und persönlich weiterzukommen?).
  • wenn sie reale Probleme benennen können und gehört werden. Es gibt Mitarbeitende, die jeder Veränderung mit Ablehnung begegnen. Es gibt Mitarbeitende, die sich mit Begeisterung auf Neues einlassen. Und es gibt Mitarbeitende, die sind offen, sehen Möglichkeiten, aber auch reale Probleme. Es ist wichtig, dass reale Probleme benannt werden können und Mitarbeitende die Gelegenheit erhalten, Vorschläge zu machen, wie die Probleme gelöst werden können. Sodass nicht passiert, was die erwähnte Mitarbeiterin im Rechnungswesen erfährt: Dass sie allein gelassen wird mit einer Software, die zunehmend mehr Zahlungsprobleme schafft.
  • wenn sie den Raum bekommen, die Umsetzung strategischer Ziele mitzugestalten und Vorschläge zur Optimierung willkommen sind. Kurz um die Kurve: Führungskräfte sind verantwortlich für Strategie und Übersicht. Wenn es um die Frage geht, wie Strategien am besten umgesetzt werden können, haben Mitarbeitende, die direkt am Puls sind, oft die besten Ideen, wie ein Ziel erreicht werden kann. Wie es so schön heißt „es führen viele Wege nach Rom“.
  • wenn ihnen zugetraut und zugemutet wird, Verantwortung zu übernehmen.
  • wenn sie wissen, dass sie auf die Rückendeckung ihrer Vorgesetzten zählen können.
  • wenn sie erfahren, wahrgenommen, einbezogen, gefragt, wertgeschätzt zu werden.
  • wenn sie das Vertrauen aufbauen, dass sie zum Erfolg ihrer Organisation beitragen können.

 

Der Veränderungskreis © als Orientierungsrahmen in der Führungsarbeit

Der Veränderungskreis, mein Konzept zu den drei Schlüsseldimensionen erfolgreichen Umgangs mit Veränderung, eignet sich prima, um entsprechende Prozesse in Gang zu setzen und zu fördern. Egal, ob es darum geht, gemeinsam eine Veränderung zu meistern, eine neue Strategie zu implementieren, ein Produkt zu entwickeln oder zu verbessern: In Orientierung am Veränderungskreis werden essenzielle Aspekte auf natürliche Weise einbezogen; dabei können gute Lösungen und Tragfläche für Veränderung entstehen, Teamentwicklung bekommen Sie „gratis“ dazu:

  • Bereitschaft, genau hinzuschauen (Dimension Wahrnehmung): Was steht hier genau an? Was sind wichtige Fakten? Und welche Haltung nehmen wir individuell und als Team gegenüber dieser Situation ein? Auf welche Stärken können wir zurückgreifen, um diese Situation zu meistern? Wo liegen Schwächen?
  • Entschlossenheit und Mut, vorwärts zu gehen (Dimension Handeln): Wozu macht diese Veränderung Sinn? Was können wir gewinnen? Was ist unser motivierender Horizont in dieser Situation? Wie müsste der Prozess verlaufen, sodass wir individuell und als Team dahinterstehen und am Schluss sagen „Es hat sich gelohnt!“?
  • Vertrauen, „anzukommen“ (Dimension positive Erwartungshaltung): Was gibt uns individuell und als Team das Vertrauen, dass wir diese Veränderung meistern? Auf welche bisherigen Erfahrungen können wir zurückgreifen? Welche Ressourcen geben Anlass zu Zuversicht?

 

Anwendungsbeispiele

Der Veränderungskreis lässt sich sehr flexibel einsetzen, beispielsweise

  • als innerer Orientierungsrahmen. Führungspersonen können immer wieder schauen: Gibt es hier Klarheit, was ansteht? Wie begegnen die Mitarbeitenden der Veränderung? Woran ist zu merken, dass wir gemeinsam auf einen motivierenden Horizont ausgerichtet sind? Wird der Prozess von den Mitarbeitenden getragen? Was ist die Energie im Betrieb? Sind alle voll und ganz dabei, oder gibt es „Dienst nach Vorschrift“, Konflikt, Personalausfälle? Besteht ein Vertrauensklima? Kommen die Mitarbeitenden mit dem, was sie beschäftigt, mit offenen Fragen, Problemen?
  • als Bezugsrahmen eines coachenden Führungsstils. Führungskräfte können das Gespräch suchen mit Mitarbeitenden, die auf irgendeine Weise vermitteln, nicht hinter einer Veränderung zu stehen. Der implizite oder explizite Einbezug des Veränderungskreises setzt in die Lage, Klarheit zu gewinnen, Motivation und Vertrauen zu ermöglichen und auf dieser Basis zu bestimmen, was ein gutes Vorgehen ist. Dies macht allerdings nur Sinn, wenn es gemacht wird in einer Haltung echter Offenheit und aufrichtigem Interesse bzw. mit dem Ziel, in Kooperation Commitment zu ermöglichen.
  • als Input in einer Teamsitzung. Eine Führungsperson, deren Team ob der (zu) vielen Veränderungen in der Organisation anfing, hängen zu lassen, entschied sich, dies in einer Teamsitzung aufzunehmen. Sie verteilte Karten, auf denen Denkanstöße in Bezug auf den Veränderungskreis standen, etwa „Wann würden wir sagen ‚wir ziehen mit‘?“, „Wenn wir Vorgesetzte wären: Wie würden wir durch all diese Veränderungen führen?“, „Wann würden wir am Morgen gerne zur Arbeit kommen?“. Es kam zu einer angeregten Diskussion. Reale Probleme kamen auf den Tisch. Die Mitarbeitenden fühlten sich einbezogen, reflektierten, was los war und konnten sich einbringen. Von dort aus konnten sie gemeinsam Schritte definieren und kam ein positiver Prozess in Gang. Die Führungsperson erzählte mir mit einem big smile: „Es ist, als hätte ich ein neues Team!“
  • Workshop. Wenn eine Arbeitseinheit oder ein Team die Gelegenheit erhält, einmal aus dem Tagesgeschäft auszuklinken und in der Auseinandersetzung mit dem Veränderungskreis Klarheit zu gewinnen, einen gemeinsamen und individuellen motivierenden Horizont zu entwickeln und sich damit auseinanderzusetzen, was Vertrauen in sich selbst, den Prozess und die Organisation fördert, kann die dazu eingesetzte Zeit um ein vielfaches „gewonnen“ werden – weil es ein Team gibt, das an einem Strick zieht.
  • Entwicklung einer positiven Veränderungskultur in der Organisation. Durch die Einführung der Perspektive des Veränderungskreises wird strukturell Boden gelegt für eine positive, offene, realistische Veränderungskultur. Es wird ein gemeinsamer Referenzrahmen geschaffen, der mit der Zeit auf natürliche Weise in der Kultur, im Umgang mit Veränderung und miteinander verankert ist. Das kann wesentlich zu Entspannung, gutem Klima, Abbau von Personalfluktuation und -ausfällen, Zunahme von Kreativität, Effizienz, Arbeitszufriedenheit und ganz besonders auch Erfolg einer Organisation sowie auch individueller Mitarbeitenden inklusive Führungscrew beitragen.

Es freut mich, wenn Sie in diesem Sinn eine positive Veränderungskultur fördern und erfahren, wie positiv sich dies auswirkt – auch in Zahlen. Und: Falls Sie keine Führungsposition innehaben, doch beim Lesen denken „Oh, das wäre in unserer Organisation wichtig!“, dann können Sie Führung übernehmen: Warum nicht bei einer Teamsitzung oder im Gespräch mit Vorgesetzten die Idee einbringen, (vermehrt) einzubeziehen, wie gemeinsam und individuell aktuelle Veränderungen kompetent und motiviert angegangen werden können? Dass das zu erstaunlichen Ergebnissen führen kann, habe ich selbst erfahren: Als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität fiel mir auf, dass von „Zukunftstauglichkeit“ des Instituts die Rede war, Mitarbeitende aber wenig voneinander wussten. Ich brachte diese Beobachtung an einer Teamsitzung ein. Offenbar sprach ich aus, was andere auch fühlten. Kurz: Es wurde beschlossen, in einigen Teamsitzungen einen Weg zu finden, wie mehr Synergien entwickelt und gemeinsam auf eine wünschenswerte Zukunft des Instituts hingearbeitet werden konnte. Wir waren in der Lage, einen gemeinsamen motivierenden Horizont zu entwickeln. Daraus entstand ein Nationalfondsprojekt, in das das ganze Institut involviert war. Es ist also immer möglich, Regie zu übernehmen. Oft ist mehr möglich, als man denkt.

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

 


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