Grüezi – Guten Tag!
Kennen Sie das Gefühl, dass Sie einen Schritt, für den vieles spricht, doch nicht machen wollen – nicht, weil es Ihnen an Mut fehlt, sondern weil Sie intuitiv wissen, dass es besser ist? Es erfordert Mut, dann nicht zu tun, was auf der Hand liegt. Im August habe ich die Thematik schon mit einem zur Sommerzeit passenden Bild kurz aufgenommen. Heute lade ich Sie ein, dieses Thema noch etwas genauer unter die Lupe zu nehmen – sodass Sie in solchen Situationen mit Vertrauen Ihrer Intuition folgen können.
Viel Anregendes wünscht Ihnen
Inhalte
- Vom Mut, einen auf der Hand liegenden Schritt nicht zu tun
- Wie vorgehen, wenn vieles für ein „ja“ spricht und eine innere Stimme „nein“ sagt?
- „Magische“ Lösungen ermöglichen: Distanz nehmen, offenbleiben und den motivierenden Horizont in die Gegenwart ziehen
- Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
Vom Mut, einen auf der Hand liegenden Schritt nicht zu tun
Zunächst: Herzlich willkommen nach der Newsletter-Sommerpause! Hoffentlich konnten Sie diese sonnigen Tage immer wieder so richtig genießen und Energie tanken!
Schön, Sie heute wieder in meiner Leserschaft zu begrüßen.
In der kurzen Sommerpausen-Ausgabe meines Newsletters hatte ich die Interviewfrage einer Journalistin aufgenommen: „Kann es nicht auch mutig sein, einen Schritt nicht zu machen? Kann es nicht auch mutig sein, nicht vom 10-Meter-Sprungbrett zu springen, sondern umzukehren und vom Turm runter zu klettern?“ Ihr Bild vom Sprungbrett passte nicht nur wunderbar zur Sommerzeit, sondern bringt auch ein interessantes und wichtiges Thema plastisch zum Ausdruck: Wie und warum es sehr mutig sein kann, Schritte nicht zu tun, die auf der Hand zu liegen scheinen. Wie angekündigt, nehme ich diesen Faden jetzt wieder auf. Ich knüpfe an bei zwei Beispielen, die ich im August erwähnt hatte.
Ein Paar ist auf dem Sprung, ein Haus zu kaufen. Alles ist wohlüberlegt und scheint perfekt. Etwas hält sie zurück – nicht die Angst, den Schritt zu tun, sondern das Gefühl, dass es nicht der richtige Schritt ist. Sie verstehen es selbst nicht so recht. Sie haben sich lange mit dem Wunsch auseinandergesetzt, haben Klarheit, warum sie diesen Schritt machen wollen und was ihnen wichtig ist. Es ist eine schwierige Entscheidung. Mit etwas mulmigen Gefühl sagen sie ab. Sie entscheiden sich, eine Pause einzulegen, nicht mehr zu suchen. Einige Monate später besichtigen sie das Haus, das inzwischen fertig gebaut und verkauft ist. Sie wollen so den Prozess abschließen. Die Art der Fertigstellung sowie die Atmosphäre in der Umgebung stärken ihr Gefühl, richtig entschieden zu haben. Etwas später werden sie, obwohl sie nicht mehr aktiv suchen, auf ein Haus ganz in der Nähe aufmerksam gemacht. Sie besichtigen es. Und leben heute mit viel Freude dort. Sie sind sehr froh, einen scheinbar nahe liegenden Schritt nicht getan zu haben.
Eine Frau will mit ihrem Partner zusammenziehen und eine Familie gründen. Auch hier scheint alles perfekt. Doch intuitiv weiß der Mann, dass er das nicht machen will. Er schaut ehrlich hin, kommt zum Schluss, dass es nicht Angst vor dem Schritt ist oder er sich nicht verbindlich auf eine Beziehung einlassen will. Obwohl weder die Frau noch das Umfeld seine Entscheidung verstehen, steht er dazu. Sie trennen sich. Er bleibt seinem Wunsch nach einer glücklichen Beziehung treu – sucht aber nicht eine Partnerin, sondern genießt sein Leben, treibt die Karriere voran und reist viel. Eines Tages bittet ihn eine Freundin um Hilfe. Sie hat Besuch einer Freundin. Der Mann sieht diese Frau und weiß: „Das ist sie!“ Inzwischen sind sie längst verheiratet und leben glücklich zusammen.
Sie kennen wohl solche Situationen – und haben erfahren, dass es nicht immer einfach ist, dem inneren Kompass zu folgen: Wer sagt, dass man nicht doch etwas übersehen hat?
Es erfordert Mut,
- einem Gefühl zu vertrauen, das einer rational naheliegenden Entscheidung entgegensteht. Ist es Intuition, ein inneres Wissen, dass es besser ist, einen Schritt nicht zu tun? Oder sabotiert man sich selbst? Es können sich Verunsicherung und Zweifel einstellen. „Müsste ich nicht doch…“, „Eigentlich ist das ja eine prima Sache“, „Stimmt vielleicht mit mir etwas nicht?“, „Müsste ich einfach den Sprung wagen?“
- sich nicht zu falschen Kompromissen verleiten zu lassen. „Man kann doch nicht alles haben“, „Lieber den Spatzen in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Ein falscher Kompromiss ist eine Entscheidung, mit der im Kern etwas nicht stimmt. Wenn die Basis einer Entscheidung gut ist, geht man problemlos Kompromisse ein: „Wir sind so happy mit diesem Haus; wir nehmen in Kauf, dass wir keine Morgensonne haben.“ Oder: „Ich liebe diese Frau; ich freue mich von Herzen darauf, mit ihr zusammen zu leben und gebe dafür meine geliebte Wohnung auf.“
- das Umfeld zu hören und bei sich zu bleiben. Man hört etwa: „Das ist doch ein schönes Haus!“, „Die werden nie umziehen“, „Typisch Mann, der sich nicht auf eine Beziehung einlassen kann“, „Mit Deinen Ansprüchen wirst Du nichts finden, denk daran: ‚Das Beste ist der Feind des Guten!‘“
- der inneren Stimme zu folgen – ohne zu wissen, ob, wann, wo und wie man „ankommen“ wird. Was, wenn es keine neue Gelegenheit gibt? Was, wenn man ohne Partnerin bleibt? Wird man den Schritt vielleicht einmal bereuen?
- von einer auf der Hand liegenden Möglichkeit Abschied zu nehmen – aber nicht vom damit verbundenen Wunsch.
Wie vorgehen, wenn vieles für ein „ja“ spricht und eine innere Stimme „nein“ sagt?
Aus den beiden Beispielen und den obigen Erläuterungen zeichnen sich Schritte ab, die in solchen Situationen Mut und Vertrauen stärken, der inneren Stimme folgen zu können:
- Genau hinschauen. Wann immer Kopf und Bauch nicht in dieselbe Richtung ziehen, gibt es nichts anderes als schauen: Was läuft hier genau ab? Wie komme ich darauf, dass das jetzt kein guter Schritt ist? Was sind Motive, Gedanken, Gefühle, Überlegungen, Gründe, diesen Schritt zu tun bzw. eben nicht zu tun? Was sind sachliche Aspekte, die ins Gewicht fallen (z.B. der überteuerte Preis des Hauses)? Was sind emotionale Aspekte (z.B. „Wenn ich ehrlich bin, will ich bei allen positiven Seiten dieser Partnerschaft nicht mit dieser Frau alt werden“)? Die beiden Beispiele ermutigen: Oft sind eine ehrliche Auseinandersetzung sowie der Mut zum „nein“ die Basis für „magische“ neue Möglichkeiten – auch wenn diese noch nicht sichtbar sind.
- Motivierenden Horizont vergegenwärtigen. Ein motivierender Horizont ermöglicht, eine Entscheidungssituation in einen größeren Rahmen zu setzen und hilft, falsche Kompromisse ebenso zu vermeiden wie Selbstsabotage: Wie will ich leben? Wie will ich mich fühlen? Was ist mir wirklich wichtig? Wie verhalte ich mich als diese Person? Und: Was sagt mein motivierender Horizont darüber aus, was hier eine gute Entscheidung ist? Erlaubt mir die Entscheidung, auf Kurs zu bleiben? Wie kann ich hier entscheiden und vorgehen, sodass ich ein Stück mehr die Person bin, die ich sein will?
- Passender Umgang mit Bemerkungen aus dem sozialen Umfeld. Wie erwähnt können Aussagen und Ansichten anderer verunsichern und eine eigenständige Entscheidung erheblich erschweren. Nehmen Sie Äußerungen anderer als Anlass, zu überprüfen: Ist da etwas dran? Wie sehe ich das? Stimmt es, dass wir immer wieder Gründe finden, ein Haus nicht zu kaufen? Was sind dies für Gründe? Sind es Vorwände? Oder hat etwas Essenzielles nicht gestimmt? Stimmt es, dass ich mich nicht auf eine Beziehung einlassen kann? Oder bin ich nicht bereit, falsche Kompromisse einzugehen – wie ich es manchmal bei anderen sehe, die jetzt gelangweilt, unzufrieden oder geschieden sind? Ehrliches Hinschauen gibt Klarheit über die eigenen Beweggründe, Wünsche und sich selbst. Dies fördert Klarheit. Und Mut zur eigenständigen Entscheidung.
- Sich zugestehen, positive Resultate zu erreichen. Viele Menschen finden sich ab mit falschen Kompromissen. Sie reden sich ein, dass es das „Perfekte“ nicht gibt – nicht selten ein Versuch, Unbefriedigendes zu rechtfertigen. Es ist nichts falsch mit hohen Ansprüchen. Wenn sie wirklich einem inneren Wunsch entsprechen.
„Magische“ Lösungen ermöglichen: Distanz nehmen, offenbleiben und den motivierenden Horizont in die Gegenwart ziehen
Interessant, wie es in den beiden Beispielen nach der Entscheidung weiterging.
In beiden Situationen gaben die Beteiligten ihren Wunsch nicht auf. Sie folgerten nicht „Wir werden wohl nie ein Haus / eine Partnerin finden“, „Vielleicht müssen wir unsere Ansprüche nach unten schrauben“. Obwohl sie sicherlich auch Momente hatten, in denen sie traurig oder enttäuscht waren, zweifelten, andere beneideten, drifteten sie nicht ab in Mangel- oder Opferdenken („Noch immer kein Haus“, „Keine Partnerin“, „Alle anderen…“). Ihr Wunsch blieb lebendig. Doch sie versuchten nicht, dessen Erfüllung zu erzwingen. Sie gaben sich eine Pause, gestalteten ihr Leben und blieben offen.
Sie blieben ihrem Wunsch treu. Sie hatten durch die Auseinandersetzung zusätzlich Klarheit gewonnen, warum sie ein neue Wohnumgebung bzw. eine Partnerschaft wünschten. Sie hatten sich damit auseinandergesetzt, was ihnen dabei wichtig war und wie sie als Person in einer neuen Wohnumgebung bzw. einer glücklichen Partnerschaft leben und sich fühlen wollten.
Beides ist essenziell für gelingende Veränderung und passende Lösungen.
Durch Lösen der Fokussierung auf einen Mangel oder ein Problem können Gehirn und Körper entspannen. Dies ermöglicht Zugang zu inneren Ressourcen, Erfahrungen und Kreativität. Sie kennen dies sicherlich aus dem Alltag: Sie suchen angestrengt die Lösung für ein Problem – wie verhext gelingt dies umso weniger, je angestrengter Sie suchen. Und dann haben Sie unter der Dusche oder beim Kochen die zündende Idee.
Zugleich ermöglicht die Auseinandersetzung mit dem motivierenden Horizont, zu klären, was man mit einem Wunsch verbindet (Was verbinde ich mit einem schönen Haus? Was gehört für mich zu einer glücklichen Partnerschaft?) – statt sich auf die Umstände zu fixieren (dieses eine Haus / diese eine Frau). Das setzt in die Lage, den motivierenden Horizont in die Gegenwart zu ziehen, das heißt, jetzt schon mehr so zu leben, wie man in einem schönen Haus oder einer glücklichen Partnerschaft leben und sich fühlen möchte. Sie können beispielsweise jetzt schon in der Wohnumgebung Dinge verändern, die Ihnen mehr das Gefühl vermitteln, das Sie mit einem Leben in einem Haus verbinden. Sie können jetzt schon das Gefühl von Freiheit pflegen und genießen oder liebevoll-verbindlich mit sich selbst und anderen umgehen, wie Sie sich dies in einer Partnerschaft wünschen. Dadurch geben Sie Ihrem Gehirn und Körper Signale, die kompatibel sind mit dem, was Sie sich wünschen – unabhängig von einem Haus oder einer Person. Interessanterweise wissen wir heute, dass sich in diesem Prozess Gehirn und Körper buchstäblich – physiologisch – auf das Neue einstellen. Indem ich einen motivierenden Horizont entwickle, erkunde, wie ich leben, denken, fühlen und mich verhalten möchte, bilden sich im Gehirn durch diese kognitiven Prozesse entsprechende neurale Netzwerke, d.h. alle Informationen rund um den Wunsch können immer rascher abgerufen werden; das innere Bild wird eine lebendige innere Realität. Indem ich entsprechende Schritte umsetze (ich gestalte meine aktuelle Wohnumgebung mehr so, dass ich schon jetzt mehr das „Hausgefühl“ habe, schaffe etwa durch Ausmisten neuen Raum, richte die Küche neu ein oder helfe einer Freundin im Garten), mache ich neue Erfahrungen und entwickle neue Gefühle (ich fühle mich schon happy, wie ich mich in einem Haus fühlen möchte). Neue Gefühle sind verbunden mit neuen chemischen Prozessen im Körper. Das heißt, Gehirn und Körper arbeiten zusammen, Denken, Handeln und Fühlen sind immer kompatibler mit dem, wie man leben möchte. Paradoxerweise ergeben sich oft genau dann auf manchmal fast „magische“ Weise unerwartete, überraschende neue Möglichkeiten. Man sucht nicht mehr – man findet.
Ich wünsche Ihnen den Mut, Schritte nicht zu tun, die auf der Hand liegen, bei denen Sie aber nach ehrlichem Hinschauen wissen, dass sie nicht gut sind. Ich wünsche Ihnen den Mut, den Fokus zu öffnen und auf Ihren motivierenden Horizont ausgerichtet immer mehr so zu leben, wie Sie leben wollen – ohne auf das Traumhaus oder die Traumpartnerin fixiert zu sein, aber so wie Sie im Traumhaus oder mit der Traumpartnerin leben wollen. Und natürlich wünsche ich Ihnen die Erfahrung, dass sich gerade so überraschende Möglichkeiten und Wendungen einstellen, die übertreffen, was Sie für möglich gehalten hätten.
Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…
- Vielleicht wollen Sie sich den erwähnten Sommerpausen-Newsletter „Mut bedeutet nicht immer, zu tun, was auf der Hand liegt“ vom August vergegenwärtigen.
- Was ein motivierender Horizont ist, habe ich ausführlich in meinem Buch „Neuanfänge – Veränderung wagen und gewinnen“ beschrieben. Siehe auch im Buch „Veränderungskompetenz fördern. Für Professionals in Führung, Beratung und Therapie.“
- Mehr zum Mut zu eigenständigen Entscheidungen in meinem Buch „Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern“, dort Kapitel 9 „‘Soll ich, soll ich nicht…‘ – Von Zögern und Zweifeln zu Klarheit“. Oder auch Kapitel 6 „‘Reaktionen anderer verunsichern mich‘ – Klug mit Bemerkungen aus dem sozialen Umfeld umgehen“. Das Buch ist vergriffen, aber in Bibliotheken oder gebraucht noch erhältlich. Oder kontaktieren Sie mich.
- Folgende Newsletter-Ausgaben könnten Sie in diesem Zusammenhang auch interessieren (in umgekehrt chronologischer Reihenfolge):
- Newsletter 2020/09: „Das Leben gestalten – genau hinschauen, klar denken, positive Gefühle aktivieren und jetzt in Gang kommen“
- Newsletter 2018/12: „Positive Erwartungshaltung“
- Newsletter 2017/11: „Sich vom Leben überraschen lassen“
- Newsletter 2016/11: „Hohe Ansprüche – Ressource oder Stolperstein?“
- Newsletter 2015/11: „Von Zögern und Zweifeln zu Entscheidungen, die passen“
- Newsletter 2015/10: „Klug mit Reaktionen aus dem sozialen Umfeld umgehen“
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