Von Zögern und Zweifeln zu Entscheidungen, die passen

Grüezi – Guten Tag!

„Soll ich, soll ich nicht…“ Immer wieder mal kann es Situationen geben, in denen wir zögern und zweifeln: „Soll ich diese Chance packen und für meine Firma ins Ausland gehen?“, „Meine Partnerin will zusammen ziehen, aber etwas hält mich zurück…“, „Ich nerve mich im Job; doch werde ich einen bessern finden?“, „Mein Nachbar ärgert sich über mein Klavierspiel; soll ich auf Konfrontation gehen oder vorschlagen, gemeinsam eine Lösung zu finden?“ Dieser Newsletter handelt davon, wie man dann vorgehen kann.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

„Soll ich, soll ich nicht…“

Diese Frage stellt sich oft, wenn wir etwas anpacken wollen. Weil diese Frage zum „Stolperstein“ werden kann, habe ich ihr in meinem neuen Buch „Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern“ ein Kapitel gewidmet. Einen Vorabdruck gibt es in der Ausgabe 10/2015 der Zeitschrift Psychologie Heute, die den schönen Titel trägt „Ich steh dazu! Wie Sie schwierige Entscheidungen treffen und damit glücklich werden.“

„Soll ich, soll ich nicht…“

„Soll ich es wagen, mich beruflich selbstständig zu machen?“, „Soll ich mich von meinem Partner trennen oder doch erneut nach Wegen suchen?“, „Soll ich mir meinen Traum einer Weltreise erfüllen oder ist das jobtechnisch keine gute Idee?“, „Ich habe Ideen, diese Arbeitsabläufe zu optimieren, doch soll ich diese auch einbringen?“, „Mich nervt diese Kollegin, die immer herumjammert, aber ist es klug, sie darauf anzusprechen?“

Vielleicht spielt bei Ihnen gerade eine solche Frage. Wie lautet sie?

 

Wenn Zögern und Zweifeln zur Blockade werden

Gerade bei großen Veränderungsschritten – z.B. den Job wechseln, eine Familie gründen, einen Lebenstraum verwirklichen – ist es völlig normal, ja empfehlenswert und klug, nicht gleich loszupreschen, sondern sich so lange mit dem Vorhaben auseinanderzusetzen bis man am Punkt ist und sagt: „So, ich wage den Schritt.“ Oder auch: „Nein, ich komme zum Schluss, dass ich das jetzt nicht mache.“ Dann hat Abwägen und auch Zögern geholfen, zu einer Entscheidung und ins Handeln zu finden.

Nur: Manchmal erreicht man diesen Punkt nicht. Man bleibt beim Abwägen hängen. Man verstrickt sich in Zögern und Zweifeln. Und gerät in eine Blockade. In einem Seminar, das ich kürzlich gab, erzählte eine Teilnehmerin, sie hätte sich jahrelang in einer solchen Blockade befunden: Sie hätte so gerne sooo viele Dinge in ihrem Leben angepackt – und doch hätte sie immer wieder gezögert und kaum etwas umgesetzt. Immer diese Zweifel.

Endloses Zögern und Zweifeln blockiert nicht nur das Handeln. Es ist auch anstrengend. Es absorbiert Aufmerksamkeit. Beeinträchtigt Lebensqualität. Es erschwert den Kontakt zu sich selbst, zum „inneren Wissen“, was in dieser Situation eine Entscheidung ist, die zu einem passt.

Stellt sich die Frage: Was dann?

Was, wenn man sich verstrickt in tausend Gedanken, offenen Fragen, Bedenken, Zweifeln? Wenn man schon zum x-ten Mal Pro und Kontra-Listen erstellt hat und immer weniger weiß, was man will? Wie geht man vor, wenn man auf dem Sprungbrett steht, aber zögert, ins Wasser zu springen? Wenn es an der inneren Sicherheit fehlt, dass es gut und richtig ist, diesen Sprung zu wagen? Soll man sich selbst einen Stoss geben? Eine Münze werfen? Abwarten und darauf hoffen, dass sich eine Entscheidung ergibt?

Ich schlage einen noch anderen Weg vor.

 

Verstehen, was Zögern und Zweifeln im Kern zugrunde liegt

Als erstes ist es nützlich, sich zu vergegenwärtigen, wie es eigentlich kommt, dass man in Zögern und Zweifeln hängen bleibt. Meist spielt einer der folgenden zwei Gründe:

  • Mit dem Ziel stimmt etwas nicht – man steht nicht wirklich hinter dem Veränderungsvorhaben. Z.B. redet man sich ein, dass es nach 10 Jahren am Arbeitsplatz Zeit ist, eine neue Stelle zu suchen – obwohl man an der gegenwärtigen zufrieden ist und nicht stillsteht. Möglicherweise veranlassen Stimmen aus dem Umfeld dazu oder Angst, als langweilig abgestempelt zu werden. „Lust auf Change“ ist modisch; dies kann zum (sozialen) Druck werden, stets wieder Neues wagen zu müssen. Ein anderes Beispiel: Die Freundin drängt, zusammenzuziehen – doch irgendetwas hält einen zurück. Man versteht selbst nicht so genau, was los ist („Wir haben es doch ganz gut“), beginnt an sich zu zweifeln („Bin ich nicht beziehungsfähig?“) oder hat Angst vor Konsequenzen, wenn man zu sich steht und (zumindest momentan) nicht auf den Wunsch der Freundin eingeht („Geht dann die Beziehung in Brüche?“). Kurz: Man steht, wenn man ehrlich ist, nicht hinter dem Schritt, der hier (vermeintlich) ansteht, ist aber doch unsicher.
  • Man steht voll und ganz hinter dem Ziel – doch man schreckt vor etwas zurück, was mit dem Veränderungsschritt verbunden ist. Der andere Grund für Entscheidungsblockaden: Man weiß durchaus, was man will, steht voll und ganz dahinter – nur: Es gibt Bedenken, die häufig real und auch noch berechtigt sind. So ist es der Herzenswunsch einer Frau, nach Sri Lanka auszuwandern, wo sie seit Jahren einer Familie bei Aufbau und Promoten eines Guest Houses hilft. Sie würde am liebsten ins nächste Flugzeug steigen. Doch: Ist es klug, eine gute Stelle zu kündigen? Was, wenn es ihr auf Dauer doch nicht gefällt in Sri Lanka? Was, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten gerät? Was, wenn sie Europa vermissen wird?

Wenn Sie sich in einer „Soll ich, soll ich nicht…“-Situation befinden: Könnte einer der beiden Punkte zutreffen? Welcher?

 

Schritte zu einer Entscheidung, bei der man sagt: „Ich steh dazu!“

Letztlich geht es darum, an den Punkt zu gelangen, an dem man mit Herz und Verstand sagt: „Ich steh dazu!“ Wenn Abwägen und Zögern nicht an diesen Punkt kommen lassen, dann gilt es, andere Wege einzuschlagen. Folgende Schritte helfen dabei:

  • Erkennen, wenn Zögern und Zweifeln zur Blockade geworden ist. Wenn Zögern und Zweifeln nicht innert nützlicher Frist zu Entscheidungen und ins Handeln führen, dann sind sie nicht (mehr) hilfreich. Es ist wichtig, dies zu erkennen. Und sich einzugestehen „Ich habe so viel überlegt, was hier eine gute Entscheidung ist – doch so komme ich nicht weiter.“ Das ist der erste Schritt aus der Blockade.
  • Nicht mehr desselben, was nicht weiterführt. Es ist wichtig, zu verstehen, dass es dann nichts bringt, sich (noch mehr) anzustrengen, zu einer Entscheidung zu finden, etwa zum x+1ten Mal eine Pro und Kontra-Liste zu erstellen oder erneut mit der besten Freundin zu telefonieren. Dies ist nicht nur nicht empfehlenswert, weil es keine Freude macht, wenig motiviert, Energie und Zeit frisst, negative Gefühle (sich selbst gegenüber) fördert und inneren Druck verstärkt. Es bewirkt auch meist das Gegenteil von dem, was man anstrebt: eine gute Entscheidung zu finden. Dies lässt sich gehirnphysiologisch erklären: Wir haben im Gehirn einen Bereich, der „zuständig“ ist für das Speichern von Absichten und das Treffen von Entscheidungen, welche dieser Absichten wie umgesetzt werden. Endloses (kognitives) Suchen nach einer Entscheidung „überlastet“ diesen Gehirnbereich. Zugleich – und das ist noch wichtiger – wird so jener andere Gehirnbereich blockiert, der den Zugang erschließt zu guten Ideen, Erfahrungen, zum „inneren Wissen“, was uns entspricht sowie zur Intuition, was jetzt vorwärts führt. Genau hier liegt aber der Schlüssel zu guten Entscheidungen: Im Zugang zum „inneren Wissen“ wie ich dies nenne. Es ist also entscheidend, zur Blockade gewordenes Abwägen, Zögern und Zweifeln zu stoppen. Und anders vorzugehen.
  • Erkunden: Will ich diesen Veränderungsschritt wirklich? Als erstes ist es nützlich, zu erkunden: Wie komme ich eigentlich darauf, dass dieser Schritt jetzt ansteht? Welche Fakten sind wichtig? Wer hat ein Interesse daran? Habe ich ein Interesse daran? Was will ich erreichen? Hilft mir dieser Veränderungsschritt dabei? Stehe ich dahinter? Wenn Sie einmal alle Für und Wider, rationalen Gründe und Stimmen aus dem Umfeld „abschalten“: Was würden Sie dann hier am liebsten tun? Was ist Ihre spontane und ehrliche Antwort? Achtung: Bleiben Sie offen für eine „dritte“ Antwort; wenn Sie etwa bisher abgewogen haben zwischen „An den Wohnort der Freundin ziehen und meinen Job hier kündigen“ und „Den Job behalten und die Wochenenden gemeinsam verbringen“, dann könnte eine spontane Antwort eine Alternative in den Blick bringen: „Ich wohne für einige Monate unter der Woche bei meiner Freundin, pendle zu meinem bisherigen Job und schau dann weiter“. Vielleicht wollen Sie Ihre Antwort aufschreiben, z.B. „Wenn ich ehrlich bin, will ich keine Familie gründen“ oder „Dieser Auslandaufenthalt reizt mich sehr; der Gedanke daran löst ein freudig-aufgeregtes Kribbeln im Bauch aus.“ Sagen Sie nicht gleich „Das geht nicht!“, „Das kann ich doch nicht machen“, „Was sagen auch die Leute?“. Gehen Sie mental auf die Reise: Stellen Sie sich plastisch vor, dass Sie Ihre Antwort ernst nehmen und entsprechend handeln. Was tun Sie dann? Welche Gefühle und vielleicht auch Körperreaktionen beobachten Sie, wenn Sie sich diese Schritte vorstellen? Drehen Sie dann den Spieß um: Stellen Sie sich vor, Sie nehmen Ihre Antwort nicht ernst: Was tun Sie dann? Welche Reaktionen löst dies aus? Wie würde sich Ihr Leben wohl weiterentwickeln? Schließlich: Welche Folgerungen zeichnen sich ab?
  • Wenn Sie den Veränderungsschritt wirklich wollen und dennoch Bedenken haben: Was konkret hält zurück? Wie lässt sich diese Bremse lösen? Wenn Sie etwa sagen „Ich möchte dieses Jobangebot unbedingt annehmen, aber…“: Benennen Sie, was dieses „aber“ konkret beinhaltet. Und sammeln Sie Ideen, was dann hilfreich ist. Wenn Sie etwa zweifeln, ob Sie dieser Stelle gewachsen sind: Was spricht dafür, dass Sie das schaffen? Auf welche Erfahrungen können Sie zurückgreifen? Was können Sie tun, um fehlendes Know-How zu kompensieren oder sich anzueignen? Oder wenn Sie leer schlucken beim Gedanken, für diese Stelle den Wohnort zu wechseln: Vielleicht ist es möglich, die erste Zeit zu pendeln. Oder Sie fahren an den neuen Wohnort, schauen sich ihn in Ruhe an und sammeln Vorteile, dort zu leben. Nehmen Sie auch „worst case“ Szenarien unter die Lupe: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Sammeln Sie Ideen, wie Sie dann vorgehen können. Das baut nicht nur Angst ab, sondern klärt weiter, ob Sie hinter dem Veränderungsschritt stehen. Schließlich: Listen Sie auf, was Sie konkret tun können, um den „abers“ produktiv zu begegnen: Informationen einholen, mit Personen sprechen, die Ähnliches gemacht haben, große Schritte in kleine herunter brechen usw. Fazit?

Wenn Sie so vorgehen, wird sich abzeichnen, was eine Entscheidung ist, hinter der Sie jetzt stehen. Wenn Sie sagen können „Ich steh dazu!“, haben Sie eine gute Entscheidung. Sie werden nie sagen „Hätte ich doch“ oder „Ich bin hier einen falschen Kompromiss eingegangen“. Es kann unterwegs immer noch Hindernisse geben oder eine Kurskorrektur erforderlich sein. Ein Entscheid, hinter dem Sie stehen, ist keine Risikogarantie. Aber die Garantie, dass Sie tun, was jetzt für Sie richtig ist. Damit haben Sie die Basis, selbstverantwortlich, mutig und motiviert zu handeln.

Ich wünsche Ihnen die befreiende Erfahrung, sagen zu können: „So, jetzt bin ich entschlossen: Ich wage diesen Schritt.“ Oder auch: „Nein, im Moment mache ich hier nichts.“ Das ist aber dann kein Zögern und Zweifeln, sondern ein bewusster Entscheid. Falls Sie sich dabei inspirieren und ermutigen lassen wollen: In der erwähnten Ausgabe von Psychologie Heute finden Sie interessante Anstöße. Und in meinem Buch „Die Kunst, über den eigenen Schatten zu springen oder wie Sie Schwierigkeiten bei Neuanfängen meistern“ finden Sie weitere Anregungen.

 


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