„Was kann ich hier schon machen…“ Viel!

Grüezi – Guten Tag!

„Was kann ich hier schon machen…“ Es gibt immer wieder Situationen, in denen sich diese Frage stellen kann. In diesem Newsletter geht es um Alternativen jenseits von resigniertem „Ich kann hier eh nichts machen…“ und verkrampftem „Es kommt schon irgendwie gut“.

Viel Anregendes wünscht Ihnen

Sibylle Tobler

Inhalte

 

„Was kann ich hier schon machen…“

Es gibt viele Situationen, in denen sich diese Frage stellen kann, etwa:

  • Eine Führungsperson: „Wir haben Probleme, kompetente Mitarbeitende zu bekommen. Unsere guten Mitarbeitenden sind am Limit.“
  • Ein Laufbahnberater: „Vermehrt habe ich es mit Kunden zu tun, die kaum für eine produktive Zusammenarbeit zu gewinnen sind. Sie sind in Stress kaum ansprechbar, sie sind nicht bereit, sich Zeit zu nehmen, um genau hinzuschauen, sie erwarten von mir Lösungen, setzen aber Schritte nicht um.“
  • Die Frau eines Parkinsonpatienten: „Die Betreuung meines Mannes fordert meine ganze Energie. Und dann ist da noch das große Haus. Alles wird mir zu viel. Aber was kann ich schon machen? Es bleibt mir keine andere Wahl, es wird von mir erwartet.“
  • Ein Mann in einem Scheidungsprozess: „Meine Ex will das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Sie verweigert konstruktive Lösungen.“
  • Zwei Arbeitskollegen zueinander: „Das Management macht doch, was es will.“
  • Eine Nachbarin: „Ich mache mir Sorgen um die Zukunft. Aber was kann man schon machen – ich kann doch die Politik nicht verändern?!“
  • Eine Frau nach einer Krankheitsdiagnose: „Der Arzt vermittelt mir ‚nichts zu machen‘. Das macht mich ganz mutlos. Aber ja, ich kann die Krankheit nicht wegzaubern.“

 

Jenseits von Resignation und Naivität

Bei aller Vielfalt haben solchen Situationen eines gemein: Sie aktivieren schnell einmal das Gefühl, wenig Einfluss zu haben. Mit der Zeit fördert dies zusätzliche Gefühle, die Energie fressen und Selbstwirksamkeit – die Erfahrung und das Vertrauen, Situationen positiv beeinflussen zu können – weiter beeinträchtigen: Hilflosigkeit, Ohnmacht, Angst, Wut, Frustration, Erschöpfung, Resignation, Apathie. Dies begünstigt Verhaltensweisen, die in negative Spiralen führen können: Man strengt sich an – und erschöpft sich. Man fokussiert auf das Problem – und fühlt sich zunehmend mutloser. Man versucht, „positiv zu denken“ – und benötigt immer mehr Energie, beeinträchtigende Gefühle unter dem Deckel zu halten. Man hofft auf bessere Zeiten – und wird mutlos, weil sich die Situation nicht verändert.

Zu aller Klarheit: Es ist sehr verständlich, sich in solchen Situationen zu fragen: „Was kann ich hier schon machen…“ Es ist sehr verständlich, wenig Einflussmöglichkeit zu sehen, wenn es schwieriger ist, gute Arbeitskräfte zu finden, man mit einer Krankheitsdiagnose konfrontiert ist, am Arbeitsplatz Strategien mittragen muss, deren Sinn man nicht einsieht oder die Konsequenzen politischer Entscheidungen zu spüren bekommt, die man für fragwürdig oder schädlich hält bzw. die Freiheit, Lebensqualität und Sicherheit untermauern.

Gerade gegenwärtig ist es wichtig, Wege zu finden, sich nicht zu lähmen mit dem Gefühl, keinerlei Einfluss zu haben. Jenseits von Resignation. Auch jenseits von Naivität.

 

Wir können Situationen beeinflussen und gestalten – Anregungen

Diejenigen unter Ihnen, die meine Arbeit kennen, wissen, dass ich keine Freundin bin von angestrengt positiv denken. Sie wissen, dass es mir fern liegt, Dinge schön zu reden, die nicht schön sind. Und Sie wissen, dass ich zu sagen pflege: „Wir können Situationen nicht immer (sofort) verändern. Aber wir können immer bestimmen, wie wir Situationen begegnen.“ Es scheint mir wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern.

Es gibt viele sehr reale Probleme – individuell, in Beziehungen, am Arbeitsplatz, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Gerade gegenwärtig.

Wie also können wir Situationen begegnen, in denen wir den Eindruck haben, wenig oder keine Einflussmöglichkeit zu haben? Wie können wir „realistisch“ vertrauen, dass wir Situationen positiv beeinflussen können? Und wie können wir tatsächlich Positives bewirken – im Kleinen und im Großen?

So trivial dies klingt: Veränderung beginnt immer bei unserem Denken, Fühlen und Handeln. Wenn wir lernen, unsere Sicht-, Denkweisen und Gefühle zu „managen“ – im Buddhismus wird dies so schön „managing your mind“ genannt –, ändern wir nicht gleich die Welt, den Nachbarn, die Überlastung am Arbeitsplatz. Doch wir legen die Basis, dass wir selbst gesund und kreativ bleiben – und ermöglichen damit anderen, dies auch zu tun. Wie wir jeweils im Flugzeug vor dem Start zum Vorgehen in Notfällen hören: „Zuerst sich selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen, dann sich anderen zuwenden.“ Meine Arbeit ist geleitet davon, Wissen zu vermitteln, wie wir entsprechend vorgehen können sowie zu ermutigen, dies auch zu tun – und damit in unterschiedlichsten Situationen zu erfahren: Es ist oft mehr möglich als gedacht. Das stärkt unsere Selbstwirksamkeit und verhindert Abdriften in Ohnmacht, Frustration oder Resignation. Wenn wir genau hinschauen, einen motivierenden Horizont entwickeln, selbstverantwortlich Schritte in dessen Richtung umsetzen und durch die Erfahrung, dass dadurch Positives in Gang kommt, Vertrauen ins Gelingen stärken, ist nicht gleich alles gelöst – aber wir haben die Basis, auf der wir anders denken, handeln, fühlen und in der Folge anderes bewirken als jemand, der sich daran orientiert „Was kann ich hier schon machen…“

Es ist nützlich, sich dies immer wieder zu vergegenwärtigen. Und sich darin zu üben. Wissen allein genügt nicht. Die Kunst ist es, diszipliniert mit sich selbst zu arbeiten, sich an der Hand zu nehmen, begreifliche Gedanken und Gefühle zuzulassen, ohne selbst Opfer zu werden. Einige Anregungen dazu:

  • Sich vergegenwärtigen: Verhalten wird gesteuert durch Denken und Fühlen – nicht durch Umstände. Die Frau des Parkinsonpatienten im obigen Beispiel antwortete auf meine Frage „Wer erwartet von Ihnen, dass Sie alles machen?“: „Er.“ „Er“ war der Herr, der neben ihr saß: ihr Mann. Im Gespräch mit den beiden stellte sich heraus: Er erwartet nicht, dass sie sich aufopfert. Er hat Schuldgefühle, weil er sie belastet. Doch wenn er helfen will im Haushalt und etwas fallen lässt, wird sie böse. Indem die Frau unhinterfragt davon ausging, dass von ihr erwartet wird, für alles zuständig zu sein, legte sie die Basis zu Frustration und Erschöpfung. Indem sie ihre Wahrnehmung überprüfte, konnte sie anfangen, ihre Situation anders anzugehen. Gemeinsam sammelten sie Ideen, wo konkret Entlastung für sie am hilfreichsten war und was sie dazu unternehmen konnten. Und sie beschäftigten sich mit der Möglichkeit, das Haus zu verkaufen. Es kam ein Prozess in Gang. Sie erfuhr, den gleichen Umständen anders begegnen zu können – und sich diese dadurch zu verändern begannen.
  • Wissen aneignen zum „Stress“- vs. „(Re)Creation“-Modus. Das Gefühl, nichts machen zu können, bewirkt physiologisch einen Stress-Kreislauf. Gehirn und Körper gehen in den „Alarm“- bzw. „Notfall“-Modus mit physiologischen Prozessen, die damit verbunden sind, etwa: Fokussieren auf Umstände, weniger Zugang zu inneren Ressourcen, Ideen und Kreativität. Auf Dauer werden mentale und körperliche Regeneration erschwert. Stress, Ohnmacht, Fokussieren auf Umstände lösen Kreisläufe in Denken, Fühlen, Verhalten aus, die zu „mehr desselben“ führen. Das sehen wir gegenwärtig. Mehr Stress. Mehr Angst. Mehr Ohnmacht. Mehr Suche nach Schuldigen. Mehr Krankheit. Mehr Konflikte. Mehr Kosten. Und: Weniger Ideen. Weniger Lösungen. Weniger Weit- und Überblick. Weniger Denken in Zusammenhängen. Weniger Zuversicht. Weniger Energiequellen. Weniger Kooperation. Indem wir trainieren, immer wieder in einen (Re)Creation-Modus zu wechseln, können wir den gleichen Problemen anders begegnen. Wir kommen eher auf Ideen. Wir können angemessener vorgehen. Wir bleiben eher gesund. Wir erfahren eher, dass wir sehr wohl den Verlauf von Situationen beeinflussen können. Das bringt mich auf den nächsten Punkt.
  • Stress auffangen statt weiterverbreiten. Bei sich selbst, als Führungsperson bei Mitarbeitenden, als Eltern bei Kindern, als Lehrerin bei Schülern. Wenn es Personalmangel gibt, ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die bestehenden Mitarbeitenden ihre Arbeit gut machen bleiben können. Indem reale Probleme besprechbar sind. Indem Mitarbeitende involviert werden, mitzudenken, Lösungen zu finden, wie gemeinsam dafür gesorgt werden kann, dass auch mit weniger Personal als erforderlich effizient und effektiv gearbeitet werden kann, wie dazu beigetragen wird, dass die Stimmung „realistisch“ gut und Gesundheit erhalten bleibt. Damit ist der Personalmangel noch nicht behoben; die Chance erhöht sich aber, mit einem motivierten, guten Team, das nicht „verbrannt“ wird, gute Resultate zu erzielen – und nicht zuletzt dadurch Menschen anzuziehen, die Teil dieses Teams sein wollen.
  • Selbst denken bleiben – thinking out of the box. Viele Menschen übernehmen unkritisch, was andere sagen. Eine Frau hörte nach einer Brustkrebsoperation den Arzt sagen: „Sie werden nie mehr den Arm völlig normal heben können. Sie müssen damit leben.“ Sie war nicht naiv, aber weigerte sich, diese Anschauung einfach zu übernehmen. Sie richtete sich darauf aus, ihre Arme wieder völlig beweglich zu bekommen und u.a. Tennis spielen zu können. Statt sich lähmen zu lassen, begann sie ein intensives Schwimmtraining. Und pflegte ihren motivierenden Horizont, wieder Tennis spielen zu können. Heute hat sie keinerlei Einschränkungen mehr.
  • Sich mit ermutigenden Vorbildern beschäftigen. Menschen wie Mahatma Gandhi oder Nelson Mandela sind bekannte Beispiele von Menschen, die leicht in ein „Was kann ich hier schon machen…“ hätten abgleiten können. Sie richteten sich auf ihre Vision aus, einen Beitrag zur Veränderung von Umständen zu leisten. Sie haben als Einzelperson angefangen. Als Einzelperson, die sich weigerte, in die Ohnmachts-/Opferhaltung zu gehen. Es ermutigt, neugierig hinzuschauen, wie solche Menschen vorgegangen sind. Das kann auch die Freundin sein, die ein Familienunternehmen von 35 Mitarbeitenden führt und es geschafft hat, das Team durch die Covid-Zeit „beisammen zu halten“, den Konkurs abzuwenden und heute noch erfolgreicher ist als vor der Krise. Das können auch die Nachbarn sein, die nicht bereit waren, ein Bauprojekt der Gemeinde einfach hinzunehmen, sondern sich zusammengetan haben und mit sachbezogenen Schritten und Geduld bewirkt haben, dass das Bauprojekt nicht umgesetzt wurde.
  • Nicht auf bessere Zeiten warten oder auf Wunder hoffen. Welche Schritte kann ich hier und heute unternehmen, um mich nicht lähmen zu lassen vom „Was kann ich hier schon machen…“? Wenn die Nachbarin etwa erneut darüber klagt, wie sehr sie sich Sorgen mache um die Welt, die Zukunft ihrer Enkelkinder, die aus dem Ruder laufenden Energiekosten, können Sie etwa aussprechen: „Ich verstehe – ja, es gibt vieles, was Anlass zu Sorge geben kann. Lass uns jetzt einmal Ideen sammeln, wie wir heute dazu beitragen können, dass wir reale Problem sehen, ohne darin abzudriften.“ Oder: „Wenn Du jetzt Chefin der Welt wärst: Was würdest Du unternehmen, dass Positives in Gang kommt?“
  • Gemeinschaft bilden. Sich zusammentun mit Menschen, die in Möglichkeiten und Lösungen denken bleiben wollen. Nicht, indem sie anderen sagen, was sie zu tun haben. Sondern indem sie selbst beitragen, was sie beitragen können. Sich gegenseitig unterstützen. Gemeinsam Lösungen für praktische Probleme finden. Statt gemeinsam über das Management zu schimpfen, kann man sich gegenseitig ermutigen, reale Probleme zu benennen, Lösungsvorschläge zu entwickeln und einzubringen. Nicht alle Führungskräfte werden positiv darauf reagieren – aber zu tun, was man tun kann, ermöglicht, einen Weg zu finden, wie man sich so auf die Situation einstellt, dass sie nicht zum Dauerstressor wird – oder den Mut aufzubringen, eine Situation zu verlassen.
  • Andere nicht ändern wollen. Sie können die Ex nicht verändern, die pragmatische Lösungen im Scheidungsprozess ablehnt. Sie können nicht vermeiden, dass der Richter ihr vielleicht das Sorgerecht zuspricht. Aber Sie können sich einsetzen, sachlich zu argumentieren. Sie können darauf fokussieren, wie Sie so vorgehen können, dass Sie einmal zurückschauen und sagen können: „Es war immer wieder frustrierend. Aber ich habe es geschafft, diese unschöne Geschichte nobel zu bewältigen, das Wohl der Kinder ins Zentrum zu stellen und darauf zu fokussieren, wie ich eine gute Zukunft gestalten kann.“
  • „Speak out“ (Ansprechen, was man sieht/hört). Wenn Sie es etwa wie der erwähnte Laufbahnberater mit Menschen zu tun haben, die kaum ansprechbar sind, viel erwarten, aber keine Schritte umsetzen, können Sie aussprechen, was abläuft, etwa: „Ich sehe, dass Sie hohe Erwartungen haben, aber wenn es ums Umsetzen geht, haben Sie immer wieder Gründe, nicht zu handeln. Wie stellen Sie sich vor, dass Sie so erreichen können, was Sie erwarten?“ Mit ein bisschen Glück können Sie so andere ins Nachdenken bringen. Das wird nicht immer gelingen. Dann ist es oft das Beste, auch dies zu benennen: „Ich bin gerne bereit, mit Ihnen Ideen zu sammeln, welche Schritte hier weiterführen. Aber wenn Sie dabeibleiben, dass Sie keine Schritte umsetzen können, ist es besser, wenn wir die Zusammenarbeit beenden.“ Nicht selten bewirkt dies Überraschendes, etwa dass eine Person plötzlich realisiert, wie sie sich im Weg steht.
  • „Thumbs up“ (). Statt mit anderen in den Tenor von „Was kann ich hier schon machen…“ einzustimmen, kann man ermutigen, den einen oder anderen der skizzierten Schritte zu machen. Etwa: „Komm, jetzt schauen wir einmal zusammen genau hin, was hier los ist und wie man hier anders vorgehen könnte als zu verharren im ‚Was kann ich hier schon tun…‘.“ Das gibt Energie. Bewirkt Ideen. Aktiviert positive Gefühle. Am Schluss kann man sich mit einem fröhlichen „Thumbs up“ voneinander verabschieden. Und sich freuen auf eine nächste Begegnung – gespannt auf die Erfahrungen, die in der Zwischenzeit gemacht wurden.

Ich wünsche Ihnen die Erfahrung, dass man oft mehr bewirken kann, als es auf den ersten Blick scheint. Und den Mut, entsprechende Schritte zu wagen.

 

Wenn Sie sich vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten…

 


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